Die Bundestagswahl ist nur noch wenige Wochen entfernt. Im Fokus: die Vorschläge für die Wirtschaft. Denn immer mehr Unternehmen fürchten um ihre Zukunft.
Neues Jahr, neue Bundesregierung: Darauf deuten derzeit zumindest die Umfragen zu den anstehenden Neuwahlen im Februar sowie die Aussagen der Parteichefs zu möglichen Koalitionen hin. Eines der wichtigsten Themen im kurzen und intensiven Wahlkampf ist dabei die Zukunft der deutschen Wirtschaft.
Denn im internationalen Vergleich schneidet Deutschland derzeit schlecht ab. Mehr dazu lesen Sie hier. Die aktuellen Prognosen rechnen mit einem Minimalwachstum von 0,1 Prozent für 2025. Und Stellenabbau sowie Werksschließungen bei Branchengrößen wie Volkswagen und Thyssenkrupp verunsichern Mitarbeiter und Investoren.
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Auch kleinere und mittlere Unternehmen bangen um ihre Aussichten. In seinem Positionspapier zur Bundestagswahl, das t-online vorab vorliegt, schreibt der Mittelstandsverbund – ZGV: „Wir stehen längst nicht mehr in den Kategorien Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum auf dem internationalen Podium, sondern erzielen unsere Rekorde stattdessen bei den Belastungen durch Bürokratie, Steuern und Abgaben.“ In dem Verband haben sich mehr als 200.000 deutsche mittelständische Firmen zusammengeschlossen.
Hauptgeschäftsführer Henning Bergmann sagt t-online dazu: „Wir brauchen eine Wende in der Wirtschaftspolitik, die Unternehmerinnen und Unternehmern endlich wieder mehr Freiraum lässt.“ Darunter versteht er eine Rückbesinnung auf die Werte der sozialen Marktwirtschaft, Eigenverantwortung, Leistung und Unternehmertum.
Viele Forderungen in dem Papier sind derweil nicht neu. Umso dringlicher appelliert der Verband an eine neue Bundesregierung, diese nun endlich umzusetzen, so etwa bei der viel beschworenen Bürokratieentlastung.
Der Mittelstandsverbund schreibt, dass Unternehmen allein für Compliance-Prozesse zuletzt rund sechs Prozent ihres Umsatzes aufwenden mussten. Compliance umfasst alle Regeln und Gesetze, an die sich ein Unternehmen und seine Mitarbeiter halten müssen.
Ein Umstand, den auch andere Verbände immer wieder anprangern. In einem Interview mit t-online forderte Handelsverbands-Chef Stefan Genth etwa: „Die Politik muss klare Prioritäten setzen: weniger Bürokratie, niedrigere Energiepreise und mehr Fokus auf die Attraktivität unserer Städte.“ Das ganze Interview lesen Sie hier.
Tatsächlich verliert die deutsche Wirtschaft durch die Berichterstattungspflichten und anderen bürokratischen Aufwand bares Geld, wie eine Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der IHK München und Oberbayern zuletzt zeigte. Demnach kostet die Bürokratie Deutschland jährlich 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung.
Dass Bürokratie abgebaut werden wird, versprechen auch Politiker aller Parteien immer wieder. 2007 hatte sich die Bundesregierung bereits das Ziel gesetzt, innerhalb von vier Jahren die Bürokratie um 25 Prozent zu reduzieren. Doch seitdem sind stattdessen an vielen Stellen neue Berichtspflichten dazugekommen, die für Unternehmen Mehraufwand bedeuten.
Wie also vorgehen? Der Mittelstandsverbund fordert, dass die Vorschläge des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) verbindlich werden. Das Gremium prüft seit 2006 die Bürokratiekosten in Deutschland und macht Vorschläge, wie diese verringert werden können – bislang sind diese nicht bindend.
Darüber hinaus sieht der Verband in der Digitalisierung Möglichkeiten. Pflichten zum mehrfachen Melden der gleichen Daten könnten verringert werden, so die Hoffnung. Auch eine sogenannte Genehmigungsfiktion, also das automatische Bewilligen von Anträgen nach Ablauf einer festgelegten Frist, könnte öffentliche Stellen entlasten, heißt es in dem Papier weiter.
Verbandschef Bergmann fordert von einer kommenden Bundesregierung auch ein starkes Auftreten auf europäischer Ebene: „Die Nachhaltigkeitsberichterstattung muss grundlegend und mittelstandsgerecht überarbeitet werden, um endlich praxistauglich zu werden.“
Das betrifft auch die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, oftmals nur Lieferkettengesetz genannt. Hier sind die deutsche und die europäische Gesetzgebung unterschiedlich. In der Ampelkoalition hatten sich schrittweise Vertreter aller drei Parteien dazu hinreißen lassen, der Wirtschaft eine Aussetzung des deutschen Gesetzes zu versprechen. Passiert ist das allerdings nicht.