Es ist ein für die AfD neuer Ansatz: Teile der Partei wollen gezielt Menschen aus Zuwandererfamilien als Wähler gewinnen. Aber wie ernst meint die AfD es damit? Und wie erfolgreich kann sie sein?

Die Initiative sorgte für einigen Pressewirbel: Unter Federführung des Landeschefs Robert Lambrou gründeten hessische AfD-Funktionäre im Sommer 2023 den Verein „Mit Migrationshintergrund für Deutschland“. Das Ziel: Menschen aus Zuwandererfamilien für die in Teilen rechtsextreme Partei zu gewinnen. Lambrou, der selbst einen griechischen Vater hat, bezeichnet die Initiative als ein „Herzblutprojekt“.

Damals war die Kritik groß: „Hass und Hetze“ gegen Migranten sei das Kerngeschäft der AfD, hieß es von den Grünen. Der Verdacht nicht nur bei ihnen: Die AfD versuche, einen Alibi-Verein zu gründen, um weniger rassistisch zu erscheinen und sich so neue Wählergruppen zu erschließen.

Erfahrung hat die AfD darin: Bereits 2018 gründete sich der Verein „Juden in der AfD“. Der Zentralrat der Juden sowie Dutzende andere Initiativen protestierten scharf, der jüdische Publizist Micha Brumlik bezeichnete ihn als „Farce“. Und tatsächlich tritt der Verein seit seiner Gründung kaum in Erscheinung.

Auch mit Blick auf den AfD-nahen Verein „Mit Migrationshintergrund“ lässt sich nach t-online-Informationen acht Monate nach der Gründung sagen: Bisher ist nicht viel passiert. Und aktuelle Äußerungen von Lambrou machen stutzig.

14 Neumitglieder in 8 Monaten

Zurzeit hat der Verein genau 50 Mitglieder, wie Lambrou auf Anfrage von t-online mitteilt. Gestartet war er im Juni 2023 mit 36. Unterm Strich hat er also in rund 8 Monaten nur 14 Neumitglieder gewonnen. Damit bleibt der Verein hinter selbst gesetzten Zielen zurück: 100 Mitglieder bis Ende 2023 hatte Lambrou laut „Spiegel“ noch im Oktober als Zielmarke genannt.

Das dürfte auch ein Grund für ein Posting von Lambrou in dieser Woche gewesen sein – in einer Facebook-Gruppe, die nur AfD-Mitgliedern aus Hessen offensteht. t-online liegen Screenshots dieses Posts vor. Lambrou wirbt darin bei seinen Parteikollegen dafür, dem Verein auf Facebook zu folgen. „Richtig klasse“, schreibt er weiter, „fänden wir es, wenn wir Sie bald als ein neues Mitglied in unserem Verein begrüßen dürften“.

Rasch stellt er danach klar: „Sie brauchen für eine Mitgliedschaft in unserem Verein übrigens weder AfD-Mitglied zu sein, noch einen Migrationshintergrund zu haben.“ Lambrou wirbt also in AfD-Kreisen für den Verein „Mit Migrationshintergrund“ auch um Mitglieder ohne Migrationshintergrund.

Nicht nur das lässt aufhorchen. Bis heute ist der Verein zudem nicht im Vereinsregister auffindbar. Dabei wurde in der öffentlichen Facebook-Gruppe am 8. Dezember 2023 ein Foto von Teilen des Vorstands gepostet, mit der Information, man sei beim Notar und habe die „Eintragung ins Vereinsregister begonnen“. Bis zu vier Wochen werden normalerweise für eine solche Prüfung avisiert, bei dem AfD-nahen Verein sind nun schon rund drei Monate vergangen.

Ist hier ein Alibi-Verein am Werk, auf dem Migrationshintergrund draufsteht, aber womöglich wenig davon drin ist – und bei dem auch ansonsten nichts passiert?

Ziel: Für die AfD werben

Lambrou weist den Vorwurf eines Fassadenvereins entschieden von sich. Dass Menschen ohne Migrationshintergrund im Verein ebenfalls willkommen seien, habe er in der AfD-internen Gruppe nicht betont, sondern „lediglich erwähnt“, erklärt er auf Nachfrage von t-online – weil die Satzung des Vereins nicht öffentlich sei, die Aufnahmekriterien den Lesern also noch unbekannt.

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