Ganz ähnlich ist es bei Weidels zentralem Satz von der „Remigration“. Denn sie hat den Begriff lange vermieden. Aus guten Gründen: Zwar stammt das Wort aus der Soziologie, schon lange aber haben es Rechtsextremisten gekapert – zuerst die von dem Österreicher Martin Sellner gegründete „Identitäre Bewegung“, dann die gesamte Szene.
Es ist inzwischen ein Sammelbegriff und Tarnwort zugleich geworden für Fantasien von Rassisten. Ihnen spielt in die Karten, dass es vieles bedeuten kann: zum Beispiel die freiwillige Rückkehr von Ausländern in ihr Heimatland (wie in der Soziologie), die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber oder ganzer Volksgruppen oder mit Druck und Gewalt herbeigeführte Deportationen – sogar von Menschen, die gar nicht Ausländer sind, sondern nur einen Migrationshintergrund haben. Also auch Menschen, die einen deutschen Pass haben, die hier geboren worden sein können.
Weidel weiß das nur zu gut. Mehrere AfD-Politiker nahmen 2023 in Potsdam an einem Treffen mit „Identitären“-Chef Martin Sellner teil, bei dem es um harte Remigrationspläne gegangen sein soll – unter anderem soll hier auch darüber gesprochen worden sein, Druck auf Menschen mit Migrationshintergrund auszuüben, die schon lange in Deutschland leben, damit die das Land verlassen.
So berichtete es die Rechercheplattform „Correctiv“ – und Deutschland stand für Wochen Kopf. Hunderttausende gingen bundesweit gegen die AfD auf die Straße. So viel Gegenwind hatte die Partei seit Langem nicht erhalten.
Weidel reagierte auf dieses Entsetzen im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen nicht mit Trotz, sondern beugte sich. Zumindest ein wenig. Rasch entließ sie einen für sie wichtigen Referenten, der an dem Sellner-Treffen teilgenommen hatte. Ihr Bundesvorstand beauftragte eine Arbeitsgruppe, eine Remigrationsdefinition zu entwerfen, die nicht völlig rassistischen Fantasien erliegt, sondern möglichst rechtskonform ist.
Und selbst danach blieb Weidel zurückhaltend: Während Landesverbände wie Brandenburg und Thüringen, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werden, bei den Landtagswahlen im Herbst ihren Wahlkampf vollständig unter den Begriff „Remigration“ stellten, verwendete die AfD-Chefin ihn in ihren Reden bisher nicht. Von der Presse auf das Vorgehen ihrer Parteikollegen angesprochen, äußerte sie sich eher zurückhaltend-skeptisch.