Krankheit, Kündigung oder keine Lust: Es gibt viele Gründe, warum Menschen Bürgergeld beziehen. Das System soll nun reformiert werden – Betroffene zeigen sich davon unbeeindruckt.
CDU, CSU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Bürgergeld durch eine neue „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ zu ersetzen. Nicht nur der Name ändert sich, es soll auch mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt werden: Jede Person, die arbeiten kann, soll sich zukünftig aktiv um Beschäftigung bemühen müssen. Wer das nicht tut, den soll das Jobcenter schneller und einfacher sanktionieren können – bis zum vollständigen Leistungsentzug.
Doch wie blicken Betroffene auf die angekündigten Änderungen? Dazu hat t-online mit mehreren Menschen gesprochen und ihre Geschichten protokolliert. Die Betroffenen sind der Redaktion von t-online bekannt, sie wollten aber nicht mit Namen genannt werden.
„Ich bin derzeit so halb im Bürgergeld drin. Vor drei Monaten habe ich den Antrag gestellt und auch schon Stellenangebote bekommen – doch noch keine Leistungen. Ich habe gerade meinen Masterabschluss in VWL absolviert, doch nicht sofort den Sprung in die Arbeitswelt geschafft. Ich habe zwar ein Fach studiert, das mir danach viele Möglichkeiten eröffnet, aber die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist derzeit schwierig.
Die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter war bislang sehr kompliziert und intransparent. Mir wird es schwer gemacht, diese Leistung zu beziehen, und es fühlt sich so an, als ob die Behörde mich ermüden will. Wenn ich Dokumente schicke, braucht das Jobcenter jedes Mal drei Wochen Bearbeitungszeit. Wenn ich anrufe, muss ich immer wieder aufs Neue meine Sachlage erläutern. Ich habe angegeben, dass ich mit meiner Freundin zusammenlebe. Daraufhin hat mir eine Sachbearbeiterin erklärt, sie müsse dann jetzt in Vollzeit arbeiten und für uns beide aufkommen, weil wir eine Bedarfsgemeinschaft seien. Das geht aber gar nicht, sie fängt bald ein neues Studium an. Ich will das Jobcenter nicht anlügen, aber ich hätte einfach verschweigen sollen, dass wir verpartnert sind.
Weil ich immer noch kein Geld vom Jobcenter bekommen habe, lebe ich derzeit von der Unterstützung von Freunden und meinen Eltern. Das Geld muss ich aber irgendwann zurückzahlen. Ich bin noch aus dem Studium gewohnt, mit sehr wenig Geld auszukommen. Ich kaufe keine neuen Klamotten, habe kein Auto und kein ÖPNV-Abo, bin nicht versichert und habe kaum ein Sozialleben. Prekärer geht’s nicht. Das ist nur möglich, weil ich weiß, dass es bald zu Ende ist.
Denn nach intensiver Jobsuche habe ich jetzt endlich eine Zusage bekommen – für eine Promotionsstelle im Ausland. Ich glaube nicht daran, dass ich bis dahin noch Bürgergeld erhalte, obwohl ich bislang sicher 15 Mal Kontakt mit dem Jobcenter hatte. Meine Freundin hat mir geraten, jeden Tag dort anzurufen, doch damit tue ich mich schwer. Ich will ja niemanden bedrängen. Aber vielleicht muss man einfach richtig dreist sein, um Geld vom Staat zu bekommen.“
„Große Abschnitte meines Lebens war ich arbeitslos. Das Bürgergeld empfinde ich als eine Maschinerie, aus der man aus eigener Kraft nur schwer wieder herauskommt. Zwar bewerbe ich mich weiter für Jobs, aber es müsste wohl ein Wunder passieren, dass ich ein Angebot bekomme, das zu meinen Qualifikationen passt. Dabei habe ich drei Facharbeiter-Ausbildungen gemacht, aber damit konnte ich bislang nicht mehr machen als mir die Nachweise an die Wand nageln.