Nach der Einigung auf einen Koalitionsvertrag hoffen Union und SPD vor allem auf die Zustimmung der SPD-Basis. Doch schon vor Beginn der Koalition gibt es Uneinigkeit – auch im Feld der Außenpolitik.
Eigentlich will Friedrich Merz Bundeskanzler werden. Der Weg dahin ist steinig, die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD waren schwierig, drohten sogar zu scheitern. Die letzte größere Hürde ist die SPD-Basis. Sie muss nun bis Ende des Monats darüber entscheiden, ob die Sozialdemokraten den Koalitionsvertrag, und somit auch ein Regierungsbündnis mit der Union, akzeptieren.
Zwar konnten sich die Koalitionäre in grundlegenden Fragen auf einen Kurs einigen. Wo es zwischen Union und SPD Uneinigkeiten gibt, bleibt der Koalitionsvertrag vage. Das trifft auch auf den Bereich der Außenpolitik zu.
Spricht man dieser Tage mit CDU-Politikern im politischen Berlin, sticht eine Botschaft heraus: Mit den Sozialdemokraten gibt es zwar größere Gemeinsamkeiten, außen- und sicherheitspolitisch hätte es dagegen mit den Grünen besser gepasst.
Grundlegend verspricht die wahrscheinliche künftige Bundesregierung außenpolitische Geschlossenheit. Der Koalitionsvertrag formuliert ambitionierte Ziele: Es geht um die Unterstützung der Ukraine, geopolitische Resilienz oder Abschreckung gegenüber Autokratien.
Die Grundprinzipien der deutschen Außenpolitik sollen also in den kommenden vier Jahren wie folgt aussehen: klare Positionierung gegenüber Russland, vorsichtige Schwächung der Abhängigkeit von China – dem sogenannten „De-Risking“ – und eine Stärkung der Rolle Europas. Doch wie realistisch ist dieser Kurs?
Der Ton gegenüber Russland fällt bei den künftigen Koalitionären so scharf aus wie selten zuvor. Dort heißt es, die größte und direkteste Bedrohung gehe „von Russland aus“, und das „Machtstreben von Wladimir Putin“ richte sich gezielt gegen die regelbasierte internationale Ordnung. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine wird als „brutal und völkerrechtswidrig“ verurteilt. Die Ukraine sei als „starker, demokratischer und souveräner Staat“ von zentraler Bedeutung für Deutschlands eigene Sicherheit. Entsprechend kündigt die Koalition an, die militärische, zivile und politische Unterstützung „substanziell zu stärken und zuverlässig fortzusetzen“.
Konkrete Maßnahmen nennen Union und SPD allerdings nicht. Während die Diagnose eindeutig ist, sind die Konsequenzen strittig – wie etwa die Auseinandersetzung über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zeigt.
CDU-Chef Merz äußerte sich am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ offen für eine Lieferung. Er betonte, dies bedeute nicht, dass Deutschland selbst in den Krieg eingreife, sondern dass „wir die ukrainische Armee mit solchen Waffen ausrüsten“. Voraussetzung sei eine internationale Abstimmung.
Für große Teile der SPD ist die Taurus-Lieferung ein rotes Tuch. Einerseits fürchten die Sozialdemokraten eine Eskalation des Krieges, obwohl die meisten Militärexperten dem widersprechen. Andererseits handelt es sich um den modernsten deutschen Marschflugkörper, ein neueres Modell ist noch nicht in Sicht. Deshalb gibt es eine zentrale Befürchtung: Wenn Russland die Funktionsweise des Taurus kennt, schwächt das auch Deutschlands Sicherheit.