Sie plädieren für eine „neue Kultur der demokratischen Emotionalisierung“. Wie kann die aussehen?

Die demokratische Emotionalisierung definiert sich ex negativo aus der undemokratischen Emotionalisierung – also, indem sie Wesensmerkmale ihrer dunklen Schwester vermeidet. Denn die bewusste emotionale Aufladung von Themen und Forderungen kann die Grenzen des demokratischen Diskurses überschreiten.

Was gilt es zum Beispiel zu vermeiden?

Erstens: eine Dehumanisierung, wie es AfD-Politiker tun, wenn sie Migranten als Parasiten, Viecher oder Monster bezeichnen. Zweitens die Markierung von Mitbewerbern oder anderen Playern in der Gesellschaft nicht als Mitbewerber, meinetwegen auch Gegner, sondern als Feinde. Drittens die Wahrheitsmonopolisierung des eigenen Standpunkts – also die Behauptung: Ich habe die Wahrheit gepachtet, alle anderen lügen euch an. Und viertens die Verächtlichmachung demokratischer Institutionen, wie wir es auch bei der AfD mit Blick auf die Gerichte beobachten können.

Das wären dann die Spielregeln. Was sind Tipps, wie demokratische Emotionalisierung tatsächlich erfolgreich sein kann?

Politiker sollten die Verwirklichung oder Verletzung zentraler Werte thematisieren, zum Beispiel soziale Gerechtigkeit oder Sicherheit. Eine besondere Verbindung haben Menschen, wenn es um Werte oder Themen geht, die ihre Lebenswelt und Gewohnheiten betreffen. Der Klimaschutz ist ein Beispiel, bei der Mobilität, bei der Ernährung, beim Heizen. Und, das halte ich in Zeiten eines mindestens gefühlten Kontrollverlustes, den Populisten verstärken, wichtig: Demokraten sollten vermitteln, dass sie Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit stärken – die Menschen also die Chance haben, ihr Schicksal selbst zu steuern und zu gestalten.

Haben Sie konkrete Beispiele aus dem zurückliegenden Wahlkampf, bei denen Sie denken: Da ist demokratische Emotionalisierung gelungen?

Der Ansatz von Friedrich Merz war interessant, mit der Emotion „Stolz“ Wahlkampf zu machen – in einer Zeit, wo viele Menschen verunsichert und frustriert sind. Merz plakatierte den Satz „Für ein Land, auf das wir wieder stolz sein können“. Dann aber fehlte komplett die Unterfütterung der Stolz-Erzählung, das konkrete politische Angebot dazu, und das Momentum verpuffte. Am besten ist es Heidi Reichinnek von der Linken gelungen, in diesem Wahlkampf zu emotionalisieren – nicht in der Breite der Gesellschaft allerdings, sondern in einem bestimmten Milieu: Reichinnek hat junge, urbane Frauen stark mobilisiert.

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