Scholz ringt, Habeck menschelt, Weidel fremdelt und Merz plant: Beim ZDF-Wahlforum gibt es kaum belastbare Antworten, aber Hinweise auf die Zukunft der Kandidaten.
Zehn Tage vor der Bundestagswahl stellten sich die Kanzlerkandidaten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, AfD und CDU/CSU im Zweiten nacheinander live den Fragen des Publikums. Moderiert wurde dieser direkte Austausch zwischen ausgewählten Bürgern und den politischen Spitzenvertretern von der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten und dem „heute-journal“-Moderator Christian Sievers. Während die Antworten nicht so aussagekräftig ausfielen, wie man angesichts des „Klartext“-Titels der Sendung hatte hoffen dürfen, ließ sich aus dem Auftreten einiges über das Selbstverständnis und die persönlichen Zukunftspläne der Politiker ablesen.
- Olaf Scholz, Bundeskanzler und SPD-Spitzenkandidat
- Robert Habeck, Vizekanzler und Grünen-Spitzenkandidat
- Friedrich Merz, Oppositionsführer und CDU/CSU-Spitzenkandidat
- Alice Weidel, AfD-Spitzenkandidatin
Den Anfang durfte der amtierende Bundeskanzler machen. Olaf Scholz ging in gewohnt ruhiger, präziser Manier auf die Fragesteller ein und ließ Kritik an seiner Regierungsbilanz an sich abperlen. So machte er etwa für das Verfehlen seiner baupolitischen Ziele Putins Überfall auf die Ukraine verantwortlich. Dieser habe den Wohnungsbau stark verteuert, erklärte der noch amtierende Regierungschef. Dass es in dieser Legislaturperiode andernfalls zu den in Aussicht gestellten 400.000 Wohnungen gekommen wäre, mussten ihm Publikum und Zuschauer glauben. Nachgehakt wurde nicht.
Dennoch fiel auf, dass Scholz kaum auf Erfolge verweisen konnte und sich argumentativ in der Defensive befand, obwohl er angesichts des SPD-Umfragenrückstands eigentlich hätte angreifen müssen. Das fiel ihm in der ZDF-Sendung offensichtlich schwerer als noch im Kanzlerduell. Darüber konnte auch Scholz‘ dynamische Körpersprache nicht hinwegtäuschen. Der Kanzler bewegte sich im Studio und nutzte die Breite des Halbrunds, in dem das Publikum angeordnet war, voll aus.
Auf das mutmaßliche Attentat von München angesprochen, signalisierte der Sozialdemokrat eher Betroffenheit, als einen überzeugenden Lösungsansatz zu präsentieren. Er versicherte, die innere Sicherheit mit größter Priorität zu behandeln und nichts unversucht lassen zu wollen, um potenzielle Attentäter vor einer Tat aufzuspüren. Zudem stellte Scholz die Abschiebung des jungen Afghanen aus München in Aussicht.
Scholz‘ hielt auch in der ZDF-Sendung unbeirrt an seinen Siegesaussichten fest. „Ich spiele nicht nur auf Sieg, ich will auch gewinnen. Das gehört dazu“, stellte er nüchtern fest. Szenarien für ein Scheitern wurden weder vom Kanzler noch von der Moderation thematisiert – ein Indiz dafür, dass die Karriere des SPD-Politikers auf Regierungsebene in diesem Fall an ihr Ende kommen könnte.
Immerhin war dem Sozialdemokraten noch eine recht herzliche Begegnung mit Robert Habeck vergönnt. Der Stil der Diskussion änderte sich mit der Staffelübergabe allerdings merklich. Habeck bedankte sich beim Publikum doppelt und dreifach für die Fragen, legte den Kopf verständnisvoll etwas quer, stellte Nachfragen und drehte sich manchmal von seinem direkten Gesprächspartner weg, um zu allen Gästen zu sprechen.
Er gestand Schwachpunkte aus seinen vergangenen Jahren als Bundeswirtschaftsminister ein, beispielsweise im Zusammenhang mit der abrupt beendeten Subventionierung von E-Auto-Käufen.
Der Unterschied blieb im Studio nicht unbemerkt. „Was ich wirklich positiv fand, dass Sie den Fehler zugegeben haben“, lobte ein Zuschauer und erhielt dafür Beifall. Das sei ihm hoch anzurechnen und bei seinem Vorgänger – gemeint war Scholz – noch anders gewesen, erklärte der Gast weiter.
Auffällig war, wie gezielt Habeck versuchte, sich und seine Partei als zuverlässigen zukünftigen Juniorpartner, besonders für die Unionsparteien, ins Spiel zu bringen. Er lobte die Kompromissfähigkeit als demokratische Urtugend und verurteilte die „Ausschließeritis“ als historische Fehlleistung, die zu österreichischen Verhältnissen führen könne.
Bündnissen mit der AfD erteilte Habeck dennoch eine Absage. Erwartbar kühl gestaltete sich seine kurze Begegnung mit Alice Weidel. „Man begegnet sich …“, setzte die AfD-Chefin freundlich an, um das gegenseitige Verhältnis zu beschreiben. „… und geht aneinander vorbei“, vollendete Habeck lakonisch und ließ Weidel auflaufen.