Mit Ottmar Hitzfeld verbindet Matthias Sammer viele positive Erlebnisse – und schwärmt daher von seinem ehemaligen Trainer. Ähnlich viel Lob hat er auch für Franz Beckenbauer übrig.
„Für Ottmar würde ich alles tun“, sagt Matthias Sammer gleich zu Beginn des Telefongesprächs mit t-online und lacht. Das sei schon als Spieler so gewesen, als Sammer viele Jahre lang der verlängerte Arm seines Trainers Ottmar Hitzfeld war. Und das sei auch heute noch so, an Hitzfelds Geburtstag. Der ehemalige Erfolgscoach vom FC Bayern und Borussia Dortmund wird 75 Jahre alt.
Als Trainer hat Hitzfeld Sammer geprägt wie kein anderer. 1997 gewannen die beiden gemeinsam mit dem BVB die Champions League. Hitzfeld war es auch, der Sammer mit der Liberoposition betraute.
Dessen fußballerisches Vorbild? Na klar: Franz Beckenbauer. Zu Beckenbauer, der am Sonntag im Alter von 78 Jahren gestorben ist, hatte Sammer ebenfalls eine sehr spezielle Beziehung. „Er war einer der wichtigsten Ratgeber und Wegbegleiter in meinem Leben“, sagt er. Im Interview mit t-online spricht er über seine ganz besondere Bindung zu seinen beiden Mentoren – und erhebt schwere Vorwürfe, was den Umgang mit Beckenbauer betrifft.
t-online: Herr Sammer, Ottmar Hitzfeld feiert am Freitag seinen 75. Geburtstag. Was wünschen Sie Ihrem ehemaligen Erfolgstrainer zu seinem Jubiläum?
Matthias Sammer: 75 ist ja irgendwie ein magisches Alter, wo man die Dinge ein bisschen Revue passieren lässt. Ich wünsche ihm von Herzen, dass es ihm und seiner Familie gut geht und sie diesen Tag genießen können. Und dass er stolz und glücklich auf sein Leben und sein Lebenswerk zurückschauen kann. Er war ein überragender Coach, ein Grandseigneur und Gentleman, ein außergewöhnlicher Mensch und Trainer.
Wo ordnen Sie seinen Stellenwert im deutschen Fußball ein?
Er hat mit Dortmund und Bayern die Champions League, etliche Meisterschaften, den Weltpokal und weitere Titel gewonnen. Dazu musst du inhaltlich gut und eine Führungskraft sein, einen starken Führungsstil haben, schnelle Entscheidungen treffen und stressresistent sein. All das hatte er. Ottmar Hitzfeld war einer der besten und größten Trainer in Deutschland. Ein absolutes Vorbild auch für mich.
Was war das Besondere an ihm?
Er hat verkörpert, was ich momentan so sehr vermisse in diesem Land, im Fußball, in der Politik, in vielen Teilen unserer Gesellschaft. Er war ein unglaublicher Anführer und wusste immer, dass die Führung von ihm ausgehen muss, um sie in die Mannschaft zu bringen. Das tagtäglich zu leben, sich damit auseinanderzusetzen, das war ein hohes Gut bei ihm. Und das ist etwas, was ich heute so sehr vermisse und hoffe, dass wir es wieder implementieren können: klare Hierarchien, klare Kultur der Diskussion, aber manchmal auch ganz schnelle Entscheidungen zu treffen auf dem Spielfeld. Da kannst du nicht den Arm heben und fragen, ob du mal den Trainer fragen kannst. Beim Dirigieren und Delegieren von Verantwortung war er wie kein Zweiter.
Wenn Sie Hitzfelds Fähigkeiten derart schätzen und vermissen, haben Sie in der jüngeren Vergangenheit und speziell bei der Nachfolgersuche für Hansi Flick als Nationalcoach nicht dann zwangsläufig auch an ihn gedacht?
Er ist jedes Mal eine Option, wenn wir genau über diese Themen sprechen. In Deutschland hielten ja irgendwie mal flache Hierarchien Einzug – was der größte Blödsinn ist. Man muss eine Gruppe und ihre Typen genau kennen. Wissen: Ist dieser Spieler ein Leadertyp, ein Teamplayer oder vielleicht doch ein Individualist? Zwischen Genie und Wahnsinn ist manchmal ein schmaler Grat.
Wie genau hat Ottmar Hitzfeld seine Mannschaften geführt?
Mit den Führungsspielern hat er am Abend vor jedem Spiel seine Gedanken und Überlegungen geteilt, uns nach unserer Meinung gefragt. Dementsprechend waren wir dann sein verlängerter Arm auf dem Platz, um Power und Kraft in die Mannschaft zu tragen. Das war die Grundlage unserer Erfolge. Ottmar und seine genialen Gedanken fehlen dem deutschen Fußball.