Was beim Wohnungsbau jetzt ein Mangel ist, soll künftig Standard werden. Bauministerin Klara Geywitz warb bei Lanz für simpleres Bauen. Trotzdem werde eine Lösung für die Misere Jahre dauern.

Allein die Rückkehr zu altem Wohlstand ist eine Aufgabe für Generationen. Matthias Bernt, Experte für Stadtentwicklung, machte am Mittwochabend bei „Markus Lanz“ eine erschreckende Rechnung auf: Beim aktuellen Tempo im öffentlichen Wohnungsbau würde es 120 Jahre dauern, um wieder auf die vier Millionen Sozialwohnungen zu kommen, die es in den 80er Jahren bereits gab. Bundesbauministerin Klara Geywitz forderte in diesem Zusammenhang: Es muss nicht immer Oberklasse sein.

Die Gäste

Klara Geywitz (SPD), Bundesbauministerin
Matthias Bernt, Experte für Stadtentwicklung
Jan-Hendrik Goldbeck, Bauunternehmer
Roman Pletter, „Die Zeit“

„Wir bauen jedes Mal im Prinzip einen Mercedes und halten uns an alle möglichen DIN-Normen“, kritisierte die SPD-Politikerin bei Lanz. Viele Bauherren würden aus Angst vor Klagen wegen angeblicher Baumängel lieber unnötig teuer bauen. Künftig sollten sich Bauherr und Architekt per Vertrag auf einen einfacheren Standard einigen können. Klar sei aber: „Die Lösung, das ist jetzt auch eine bittere Nachricht, die dauert natürlich auch einige Jahre.“

Lanz diskutiert Wohnungsnot

Die DIN-Normen seien nicht aus der Politik gekommen, sondern die habe sich die Industrie selbst geschaffen, hielt an dieser Stelle Roman Pletter fest, Leiter des Wirtschaftsressorts der „Zeit“. „Jedes Mal wird das Rad neu erfunden“, erklärte auch der Bauunternehmer Jan-Hendrik Goldbeck, warum der Wohnungsbau in Deutschland oft so lang dauert. Hinzu kommen laut Goldbeck aufwändige Genehmigungsverfahren und überlastete Ämter.

Um die Wohnungskrise wirksam zu bekämpfen, würde Goldbeck vor allem auf große neue Quartiere setzen. Bis die aber auf Industriebrachen oder Äckern stehen könnten, vergingen gern 10 bis 14 Jahre. Der eigentliche Bau sei in 15 Monaten zu schaffen, rechnete der geschäftsführende Gesellschafter der Goldbeck GmbH aus Bielefeld vor: „Alles dazwischen muss man sich als Nation leisten können.“

Bürokratie habe durchaus ihren Sinn, betonte der Bauunternehmer. Doch die Fülle an Vorschriften addiere sich. Diese seien gekoppelt mit Baugenehmigungen, die statt drei nun teils 18 Monate dauerten oder wegen falsch zusammengelegter Baupläne zurückgeschickt werden („es gibt eine Faltungsvorschrift“). Er und Geywitz monierten die schleppende Digitalisierung auf Bauämtern. Digital eingereichte Anträge verzögerten sich schon mal, weil der Sachbearbeiter die Baupläne erst mal ausdrucken müsse, erzählte Goldbeck.

Da wollte Lanz von der Ministerin wissen: Was sagt sie dazu, wenn der Chef des Baukonzerns Vonovia, Rolf Buch, in Deutschland nach eigenen Angaben 60.000 geplante Wohnungen nicht bauen will, weil sich das nicht rentiere? Angesichts von rund 2.000 Vonovia-Wohnungen pro Jahr sei da wohl eine Prognose für die nächsten 30 Jahre abgegeben worden, erwiderte Geywitz: „Ganz schön tapfer.“

Sollten börsennotierte Konzerne wie Vonovia in Deutschland keine Wohnungen mehr bauen, finde er das nicht problematisch, sagte Matthias Bernt, Leiter der Forschungsgruppe „Stadtentwicklungspolitik“ am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung. Solche Unternehmen seien in erster Linie ihren (internationalen) Anlegern verpflichtet und würden die hohen Renditen mit teuren Mieten und schlechtem Service für die Bewohner erzielen.

„Mieten, die kein Mensch mehr bezahlen kann“

Das Ergebnis all dieser Krisenfaktoren sind laut Geywitz Mieten, „die kein Mensch mehr bezahlen kann“. „Die Wohnungskrise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, bilanzierte Brent bei „Lanz“. Neue Wohnungen werden laut Brent im Schnitt für sechs Euro pro Quadratmeter mehr als Bestandswohnungen vermietet. Das macht bei 80 Quadratmetern 480 Euro. Außerdem ließe sich die Mietpreisbremse durch viele Hintertüren umgehen.

„Wahrscheinlich weniger“, antwortete der Wissenschaftler auf die Frage von Lanz, wie viele Wohnungen voraussichtlich 2024 entstehen werden und bezog sich auf den Vergleich mit der diesjährigen Bilanz von rund 250.000 Wohnungen.

Die Bundesregierung hatte im Wahlkampf 400.000 angepeilt. Dieses Ziel verfehlte die Bundesregierung bisher. „Der jetzige Bedarf ist deutlich höher“, sagte Geywitz. Schon im Januar hatte sie geschätzt, das Land brauche „500.000 bis 600.000 Wohnungen im Jahr“. Mittlerweile ist der Bedarf auch wegen es russischen Angriffskriegs in der Ukraine laut Geywitz noch gestiegen.

„Am Ende hilft natürlich gegen hohe Preise nur mehr bauen“

„Am Ende hilft natürlich gegen hohe Preise nur mehr bauen“, brachte es Pletter auf den Punkt. Das werde aber häufig von wohlsituierten Hausbesitzern in der Nachbarschaft verhindert, die dadurch den Wert ihrer eigenen Immobilie schützen wollten. Solche Menschen „verknappen den Wohnraum durch das Baurecht“, berichtete der „Zeit“-Journalist. Da würden Anwälte in Ausschüsse geschickt oder es werde über Kommunalwahlen Einfluss auf Bebauungspläne genommen.

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