Eher Drama als Krimi

Lohnt sich der neue „Tatort“ aus Köln?

Aktualisiert am 24.11.2024 – 21:56 UhrLesedauer: 3 Min.

„Tatort: Siebte Etage“: Die Kölner Kommissare Schenk (Dietmar Bär, l) und Ballauf (Klaus J. Behrendt, M) ermitteln im Rotlichtmilieu. (Quelle: Martin Valentin Menke/dpa)

Der Kölner „Tatort“ hat dieses Mal ein gesellschaftskritisches Thema. Es geht um die Situation von Prostituierten. Der eigentliche Mordfall tritt dabei fast in den Hintergrund.

Der Haustechniker eines Eros-Centers liegt tot vor dem Etablissement. Malik Zeman wurde aus einem Fenster im siebten Stock gestoßen. Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln bei ihrem neuen Fall „Siebte Etage“ am Sonntag ab 20.15 Uhr in der ARD im Rotlichtmilieu.

Die Frauen, die auf dieser siebten Etage ihre Dienstleistungen anbieten, scheinen eine verschworene Gemeinschaft zu bilden und geben sich nach außen wie eine große Familie. Da sind die Sexarbeiterinnen Cosima (Senita Huskić), Jasmin (Antonia Bill) und Tani (Maddy Forst). Zemans Schwester Kaja (Nuriye Jendroßek) betreibt auf der Etage einen Friseursalon und Chiara – gespielt von Rapperin Sabrina Setlur – ein Nagelstudio. Bald zeigt sich, dass hinter den Kulissen Konflikte brodeln und keine der Frauen gut auf das Opfer zu sprechen ist.

Während Ballauf und Schenk sich bei den Zeugenbefragungen im Eros-Center sichtlich unwohl zu fühlen scheinen, hat ihr Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling) bei dem Fall Probleme, Berufliches und Privates zu trennen. Denn Jütte kennt die Prostituierte Cosima noch aus seiner Zeit bei der Wuppertaler „Sitte“. Aufgrund ihrer gemeinsamen Vergangenheit fühlt er eine besondere Verantwortung für die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die auf ihren Verdienst im Eros-Center angewiesen ist.

Im Mittelpunkt der „Tatort“-Folge steht aber weniger der eigentliche Mordfall, als vielmehr die Situation der Prostituierten. Dazu greift Regisseur Hüseyin Tabak zu einem besonderen Stilmittel: Ähnlich wie bei einem Theaterstück sprechen die Sexarbeiterinnen Monologe direkt in die Kamera, in denen sie ihre Geschichte und Gefühle schildern. Dadurch werden die TV-Zuschauer von Beobachtern zu Mitwissern.

„Warum kann ich nicht sein wie jeder andere Mensch auch?“, fragt etwa Cosima. Sie arbeite hart, halte sich an die Gesetze und zahle Steuern – trotzdem müsse sie lügen, um eine Wohnung zu bekommen. Jasmin kam einst aus Neugierde zur Prostitution und hat sich deswegen mit ihrer Familie überworfen. Tani wurde als Jugendliche zur Prostitution gezwungen, inzwischen empfindet sie im Innern nichts mehr außer Schmerz. „Wir nehmen es als Gesellschaft einfach hin, dass Männer bezahlen, um Frauen wie einen Gegenstand zu benutzen“, kritisiert Autorin Eva Zahn. Die „Tatort“-Folge solle den Frauen ein Gesicht geben.

Umgekehrt nehmen die Zuschauer durch die Kameraführung zeitweise den Blick der Freier ein, die durch den Gang des Etablissements gehen, aber überwiegend verschwommen und gesichtslos dargestellt werden. „Die Männer fühlen sich besonders, mächtig, unwiderstehbar. Letztendlich sind sie aber nur die nächsten 60 Euro, die die Frauen abkassieren“, sagt Regisseur Tabak. „Wenn sie am Ende ihren Orgasmus haben, fällt der Vorhang und die Show ist vorüber. Dann ziehen sie alle ihre Unterbuxen wieder an und müssen den Raum für den Nächsten verlassen.“

Und so macht der Kölner „Tatort“ seinem Ruf, oft besonders gesellschaftskritisch zu sein, mal wieder alle Ehre. Über weite Strecken ist er eher Drama als Krimi. Erst am Ende wird es noch mal spannend: Die Auflösung des Mordfalls überrascht dann doch.

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