Kein Lohn am ersten Krankheitstag?
„Das wäre Arbeitnehmer-Quälerei“
07.01.2025 – 17:42 UhrLesedauer: 3 Min.
Die Frage, ob der Lohn für den ersten Krankheitstag entfallen sollte, diskutiert Deutschland dieser Tage hitzig. So weit gehen die Meinungen auseinander.
Mit der Idee, für den ersten Krankheitstag Arbeitnehmern ihren Lohn nicht fortzuzahlen, löst Allianz-Chef Oliver Bäte derzeit Kontroversen aus – auch in der t-online-Redaktion. Während Florian Schmidt ihm zustimmt und sagt: „Die hohen Krankenstände gefährden unseren Wohlstand“, hält Katharina Grimm den Vorschlag des 59-Jährigen für blanken Populismus.
Das Pro und Kontra der beiden t-online-Redakteure lesen Sie hier. Daraufhin erreichten uns zahlreiche Zuschriften, mit höchst unterschiedlichen Ansichten.
Sabine Hoericke schreibt: „Haben solche hoch bezahlten Herrschaften wie Bäte mal darüber nachgedacht, was solch eine Regelung für Arbeitnehmer bedeuten würde, die gerade einmal den Mindestlohn beziehen? Die rechnen ohnehin schon mit jedem Cent. Also wäre die Alternative, doch krank zur Arbeit zu gehen? Das wäre absolut unsozial und verantwortungslos.“
„Ich wäre für ein bis zwei Karenztage“, gesteht Carsten Anger. „Das hält wahrscheinlich besser vom Blaumachen ab. Wer wirklich krank ist, nimmt auch Karenztage in Kauf“, glaubt der t-online-Leser.
Karin Fulst schreibt per E-Mail: „Es wäre mehr als frech, hätte der Arbeitnehmer bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit Lohnausfall. Ich arbeite in der Pflege im Schichtdienst. Oftmals sind nur zwei Personen für 25 bis 30 Heimbewohner zuständig. Die Arbeitsbelastung ist also sehr hoch. Und dann soll ich auch noch bestraft werden, wenn ich mal krank werde?“, fragt sie erbost und kündigt an:
„Entwickelt sich die Arbeitswelt so weiter, verlasse ich diese lieber und beziehe Bürgergeld. Ich bin fast 61 und war bereits erwerbsgemindert, habe mich mühsam zurückgekämpft. Ich will nicht arbeiten bis zur Erschöpfung und Burn-out und bin nicht mehr bereit, auch krank zum Dienst zu erscheinen.“
„Das ist ein sehr kluger Vorschlag von Bäte“, meint dagegen Hans-Heinrich Matthias. Er kenne Fälle, in denen Mitarbeiter flapsig äußerten, sie könnten doch einfach krank machen, obwohl sie bloß arbeitsunwillig seien. „Dem modernen Menschen ist Verantwortung für seine eigene Gesundheit zuzumuten und damit auch, für den ersten Tag der Krankheit zu bezahlen. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung enthält leider zu viel Sozialromantik.“
Romy Gumpert spricht sich gegen Karenztage aus, „da es nur Menschen träfe, die wenig Lohn bekommen. Ein Gutverdiener könnte über den Geldverlust nur müde lächeln.“ Um Leute vom Krankfeiern abzuhalten, schlägt sie stattdessen vor, Jahresboni wie ein dreizehntes Monatsgehalt entsprechend der Anzahl der Ausfalltage zu mindern.
„Ich bin mir sicher, dass es dann nicht mehr so viele Montags- oder Freitagskranke gäbe und sich die Ausfälle verringerten. Damit würde man Menschen, die wirklich krank sind, nicht unter Druck setzen. Denn das Bonusgeld ist keine Pflicht, sondern ein Anreiz, auf seine Gesundheit zu achten.“
„Wenn die Wirtschaft schwächelt, können wir nicht so weitermachen, als wäre nichts geschehen“, findet Johann Auer. „Drei Karenztage würden jeden überlegen lassen, ob er wirklich so krank ist, dass er nicht zur Arbeit gehen kann. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen wäre das eine große Entlastung.“
Für Gundula Wessel wären solche Vorschläge, wie von Oliver Bäte oder Bernd Raffelhüschen geäußert, „Arbeitnehmer-Quälerei“. „Die Lohnfortzahlung erst ab dem zweiten oder gar vierten Tag greifen zu lassen, wäre nichts anderes als Diebstahl und obendrein die Gefährdung der Gesundheit der übrigen Belegschaft. Würde der Lohn nicht fortbezahlt, gingen Kranke krank zur Arbeit, weil sie es sich nicht leisten könnten, zu Hause zu bleiben und dort wirklich gesund zu werden. Die Ersparnisse für den Arbeitgeber wären minimal, für die kranke Person aber eine unverdiente Strafe.“