Psychotische Störungen sind nicht harmlos und können lebenslang Folgen haben. Eine Studie zeigt nun, wie groß das Risiko bei Jugendlichen ausfällt.

Cannabis schadet den noch nicht ausgereiften Gehirnen Jugendlicher, das haben Studien schon mehrfach gezeigt. Der Zusammenhang zwischen jugendlichem Cannabiskonsum und psychotischen Störungen könnte sogar noch stärker sein als bisher angenommen, ergab nun eine im Fachjournal „Psychological Medicine“ vorgestellte Studie. Die meisten Jugendlichen, bei denen eine psychotische Störung diagnostiziert wird, haben demnach eine Vorgeschichte mit Cannabiskonsum.

In aller Regel sei bei einer psychotischen Störung die Wahrnehmung beeinträchtigt, erklärt Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das eigene Körpererleben sei verändert, auch visuelle oder akustische Halluzinationen seien möglich. Konzentrations- und Lernfähigkeit seien eingeschränkt, das Empfindungsvermögen bei Freude oder Trauer abgestumpft. Hinzu komme oft das Gefühl, von Umgebungsreizen völlig überflutet zu werden.

Eine psychotische Störung könne bei Drogenabstinenz binnen weniger Wochen komplett ausheilen – allerdings bestehe lebenslang ein höheres Risiko, bei erneutem Konsum wieder in eine zu rutschen. Generell länger und auch stärker seien die Auswirkungen bei Schizophrenie, einer speziellen Form der psychotischen Störung, erklärt Kinder- und Jugendpsychiater Thomasius. Das Gefühl, bedroht zu sein – etwa durch enge Angehörige – könne bei einer Schizophrenie im Extremfall tödliche Attacken zur Folge haben.

Mangelnde Kontrolle des THC-Gehalts

Frühere Forschungsarbeiten stützten sich weitgehend auf ältere Daten, als Cannabis noch weniger stark war als heute, nehmen die Forschenden in Kanada als Grund für eine mögliche bisherige Unterschätzung an. Der durchschnittliche Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) bei illegalem Cannabis stieg in Kanada demnach von etwa einem Prozent im Jahr 1980 auf 20 Prozent im Jahr 2018. „Neue Arten von Cannabisprodukten sind ebenfalls beliebter geworden, darunter Cannabisextrakte, die einen THC-Gehalt von über 95 Prozent erreichen können.“

Derlei Produkte seien in Deutschland noch nicht erhältlich, sagt Thomasius. Der Gehalt hierzulande liege bei illegalem Cannabis bei etwa 15 Prozent. Mit den professionellen Gerätschaften der Anbauvereinigungen, die seit Anfang April legal Cannabis produzieren dürfen, seien sicher auch höhere Gehalte möglich. Zwar soll der THC-Anteil nach dem Cannabis-Gesetz bei der Abgabe der Vereinigungen an 18- bis 21-Jährige 10 Prozent nicht übersteigen – doch umfassende Kontrollen sind für Kommunen kaum umzusetzen. Gefordert seien sie laut Gesetzestext ohnehin nur „gelegentlich“, sagt Thomasius.

Problematisch ist der gegenüber den Joints der 68er-Jahre dramatisch angestiegene THC-Gehalt, weil Konsumenten häufig eine ähnliche Menge Cannabis wie zuvor rauchen – dabei aber weitaus mehr THC aufnehmen als ein Nutzer einst. Die Hanfpflanze Cannabis sativa enthält insgesamt mehr als 60 Cannabinoide, von denen Tetrahydrocannabinol aber als stärkste psychoaktive Substanz eingestuft wird. Im ganzen Körper gibt es Rezeptoren, an denen körpereigene Cannabinoide, aber auch THC andocken.

THC besonders schädlich während der Pubertät

Dass THC gerade das Gehirn Jugendlicher beeinflusst, ist Experten zufolge biologisch plausibel: In der Pubertät ist das Gehirn eine Art Großbaustelle und besonders leicht aus der Balance zu bringen. Angenommen wird dem Forschungsteam in Kanada zufolge, dass THC über das körpereigene Cannabinoid-System unter anderem Nervenfaser-Verknüpfungen und die Entwicklung der weißen Substanz im Gehirn beeinflusst.

Zu den bekannten Folgen regelmäßigen Cannabis-Konsums in der Pubertät gehöre neben dem höheren Risiko für Psychosen ein um bis zu etwa zehn Punkte sinkender IQ-Wert, erklärt Thomasius. „Wenn ein ohnehin nicht so hoher IQ von 90 auf 80 sinkt, dann bedeutet das eine Lernstörung.“ Auch Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeiten litten. Im Gehirn könnten bei Cannabis-Konsum in der Pubertät bis zu gut ein Drittel der funktionsfähigen Verbände im Frontalhirn verloren gehen, das zuständig für Funktionen wie Denken, Vernunft und Emotionsregulation ist. Auch sei das Risiko für Angststörungen und Depressionen höher.

Risiko für Verkehrsunfälle steigt

Doch nicht genug damit, dass sich Konsumenten ihr eigenes Leben und das ihrer Familie vermiesen können – auch andere Menschen sind betroffen, etwa durch die eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit. „In den USA hat sich die Zahl schwerer Verkehrsunfälle unter Cannabiseinfluss schon verdoppelt bis verzehnfacht seit der Legalisierung dort“, sagt Thomasius.

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