Die Bauern sind erzürnt über die Subventionskürzungen und fühlen sich von der FDP im Stich gelassen. Christian Lindner wagt am Montag den Beruhigungsversuch – und scheitert fürs Erste. Verliert er die Unterstützung der Landwirte für immer?

Die Bauern sind nicht mit Mistgabeln gekommen. Sondern mit iPhones und Laptops, sie filmen sich gegenseitig, laden ihre Videos im Internet hoch. „Der Mittelstand trägt das Land, gemeinsam gehen wir Hand in Hand“ steht auf einem Plakat. Auf einem anderen: „Es reicht“. Die Botschaft: Hier demonstrieren keine altmodischen Hinterwäldler, sondern moderne Landwirte mit teils Dutzenden Beschäftigten.

Zu Tausenden stehen sie am Montag wieder vor dem Brandenburger Tor, zur Abschlusskundgebung ihrer Demonstrationswoche, die längst eine Machtdemonstration geworden ist. Und heute wollen die Bauern ihre Macht Finanzminister Christian Lindner zeigen, der zu ihnen gekommen ist.

Video | Tausende Bauern legen Berliner Zentrum lahm – und buhen Lindner aus

Quelle: Glomex

„Hau ab! Hau ab! Hau ab!“, schleudern sie ihm entgegen. Immer wieder. Immer lauter. Lindner beginnt trotzdem zu reden, aber er kommt nicht gegen das Geschrei der Bauern an. Irgendwann unterbricht ihn der Präsident des Bauernverbandes, der sich an das Publikum wendet: „Es gebührt der Respekt, ihm zuzuhören! Ich fordere Sie auf, ruhig zu sein.“

Es ist der wohl schwierigste öffentliche Auftritt für Lindner, seitdem er in der Regierung ist. Jubel kennt er. Gebrüllter Hass schlägt ihm selten entgegen. Lindner schreit sogar selbst im Laufe seiner Rede, das tut er sonst nie. Doch es ist ein harter Kampf, der da begonnen hat. Und der FDP-Chef und Finanzminister ringt mit lauter Stimme darum, die Unterstützung der Landwirte nicht zu verlieren.

Deren lautstarker Protest ist auch eine Art Schrei nach Liebe. Die Bauern sind enttäuscht. Viele glaubten, die FDP sei ihr letzter Verbündeter, die Stimme der Selbstständigen, der Macher. Ihre politische Bastion in der sonst politisch linken Bundesregierung.

Befeuert haben dieses Bild die Liberalen selbst, die bei allen Gelegenheiten seit Regierungsantritt betonten, es sei nun einmal nicht einfach, mit „zwei linken Parteien“ zu regieren. Die Frage, die sich aus Sicht der Landwirte nun stellt, ist, was die einzige nicht-linke Partei in der Bundesregierung für sie tut. Die Antwort vieler am Brandenburger Tor an diesem Montag: zu wenig.

Vorredner: Sich freuen, wenn die angedrohten Schläge doch nicht kommen?

Deshalb der Protest gegen zwei ursprünglich geplante Kürzungen, die die Bauern insgesamt mehr als 900 Millionen Euro im Jahr gekostet hätten. Zwar hat die Ampelregierung das Aus für die KfZ-Steuerbefreiung inzwischen zurückgenommen, doch beim schrittweisen Auslaufen der Agrardiesel-Förderung soll es bleiben.

Für Lindner und die FDP ist das ein Drahtseilakt. Einerseits sind sie es, die wie keine zweite Partei in der Ampel aufs Sparen pochen, andererseits haben Bauern bei der Bundestagswahl überproportional oft FDP gewählt. Aktuell liegen die Liberalen bei fünf Prozent in den Umfragen, in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen und eine Europawahl an. Die Landwirte sind mächtig und damit umso wichtiger für die FDP.

Gegen 11.45 Uhr kommt Lindner bei den Bauern an, eine gute halbe Stunde muss er warten. Ein Vorredner sagt, es sei nicht in Ordnung, wenn man jemandem Schläge androhe und dann von dem verlange, dass er sich freuen solle, wenn die Schläge doch nicht kämen. So etwas muss sich Lindner anhören.

Es hat 3 Grad Celsius in Berlin, über der Stadt fällt Schneeregen. Als er schließlich ans Mikrofon tritt, dunkle Allwetterjacke, grober Strickschal, erzählt er erst einmal von sich: „Ich bin schon fertig, wenn ich den Pferdestall nur einmal ausgemistet habe.“ Er wisse, wie viel körperliche Arbeit es auf dem Land gebe. Er hätte auch gleich sagen können: Ich verstehe euch.

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