Sebastian Kehl wird nicht, wie lange vermutet, der neue starke Mann beim BVB. Die Begründung dafür wirkt zweifelhaft. Wurde er unfair behandelt?

Am Montag verkündete Borussia Dortmund die große Überraschung: Lars Ricken, bisher Chef des Nachwuchsleistungszentrums, wird Nachfolger von Hans-Joachim Watzke als Geschäftsführer Sport und damit neuer starker Mann bei den Schwarz-Gelben.

Ricken überspringt in der Hierarchie damit Sebastian Kehl. Der Meisterkapitän Kehl arbeitet seit 2018 als Funktionär im Verein, zunächst als Leiter des Lizenzbereichs, seit Sommer 2022 als Sportdirektor. Der Aufstieg zum Geschäftsführer wäre der logische nächste Schritt gewesen. Doch schon vor einigen Wochen wurden Berichte laut, dass in der Vereinsführung Zweifel an Kehl herrschten. So soll auch Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche zunächst eine Alternative für den BVB gewesen sein, bevor er bei der Eintracht verlängerte.

Grund für die Zweifel soll laut eines Berichts der „Bild“-Zeitung vor allem die Skepsis gegenüber der bisherigen Transferpolitik Kehls sein. Bei genauerem Hinsehen scheint diese Begründung aber äußerst diskutabel, denn auch andere Personen im Verein haben bei den Transfers ein großes Wörtchen mitgeredet. Wurde Kehl unfair behandelt?

Der BVB spielt eine enttäuschende Saison

Klar ist: Mit Platz fünf in der Bundesliga steht der BVB sportlich aktuell nicht da, wo er stehen will. In der vergangenen Saison scheiterte der Klub denkbar knapp an der deutschen Meisterschaft, verspielte den Titel am letzten Spieltag. In der neuen Saison sollte es nun aber klappen.

Dabei musste der Klub im Sommer aber einen schweren Schlag verkraften: Mit Jude Bellingham verließ der wohl beste Spieler den Verein Richtung Real Madrid. Immerhin strich die Borussia dafür ein Schmerzensgeld in Höhe von 103 Millionen Euro ein. Dennoch war es für die Kader-Qualität der dritte herbe Dämpfer im dritten Jahr in Folge. Schließlich hatte man 2021 bereits Jadon Sancho an Manchester United und 2022 Erling Haaland an Manchester City verloren.

Dieses Vorgehen passt zwar zur allgemeinen Strategie des BVB, junge Talente zu finden, auszubilden und dann teuer zu verkaufen, dem Ziel einer Deutschen Meisterschaft ist es aber sicherlich nicht zuträglich. Es sei denn, es werden neue Talente gefunden, die kurzfristig einschlagen.

Querelen zwischen Kehl und Terzić

Die Aufgabe für Kehl, einen Kader zusammenzustellen, der erneut um die deutsche Meisterschaft kämpfen kann, war also ohnehin schon groß genug – und dann kamen auch noch die inneren Querelen hinzu. Denn: Wie unter anderem die „Bild“-Zeitung berichtete, sollen sich Kehl und BVB-Trainer Edin Terzić bei Weitem nicht immer grün sein, vor allem beim Thema Transfers.

Ein Beispiel: Kehl wollte im Sommer das defensive Mittelfeld der Borussen verstärken. Dafür hatte er den Mexikaner Edson Álvarez von Ajax Amsterdam ausgemacht. Mit einem Marktwert von 35 Millionen Euro wäre der Transfer eine kostspielige Angelegenheit geworden – zu kostspielig für Terzić, der die Mannschaft lieber auf anderen Positionen verstärken wollte. Im Mittelfeld setzte der Trainer lieber weiter auf Emre Can und Salih Özcan, der schon eine Saison zuvor auf ausdrücklichen Wunsch Terzićs gekommen war. Am Ende setzte er sich damit durch. Obwohl sich Kehl mit Álvarez schon über einen Transfer einig war, platzte der Deal. Álvarez wechselte in Premier League zu West Ham und Terzić machte Can sogar zum Kapitän. Mittlerweile ist klar: mit durchwachsenem Erfolg.

Kehl hatte Watzke gegen sich

Dass Terzić am Ende seinen Willen bekam, lag Berichten zufolge auch daran, dass er die Unterstützung von Klub-Boss Hans-Joachim Watzke hatte. Die beiden pflegen ein freundschaftliches Verhältnis, Watzke stärkte dem Trainer auch in sportlich schwierigen Phasen zuletzt immer wieder öffentlich den Rücken. Und anscheinend auch im Machtkampf mit Kehl.

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