Beim Rennen in Miami gewann sensationell Lando Norris vor Max Verstappen. Gibt es doch noch eine spannende Saison? Etwas spricht dafür.

Als Lando Norris am späten Sonntagabend die Ziellinie überquerte, war ihm die Erleichterung deutlich anzuhören. „Es wurde verdammt noch mal Zeit“, rief er am Teamfunk seinem Renningenieur entgegen, nachdem er gerade sensationell den Großen Preis von Miami gewonnen hatte. „Ich habe es endlich für euch abgeliefert.“

Es war der erste Karriereerfolg für den 24-jährigen Briten – und einer, auf den er lange hatte warten müssen. Seit 2019 Teil der Formel1, dauerte es fünf Jahre und 110 Rennstarts, bis Norris sich endlich auf der höchsten Stufe des Podiums wiederfand. Vor allem die Art und Weise, wie Norris den Sieg einfuhr, und die Geschwindigkeit seines McLaren glichen in Zeiten der Red-Bull-Dominanz dabei einer Sensation – und dürften dem Weltmeister um Max Verstappen ernsthafte Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Er war schon einmal ganz nah dran

Ein Blick zurück: Schon einmal war Norris dem ersten Karrieretriumph ganz nah. Es war der 26. September 2021, der Große Preis von Russland. Norris führte in seinem McLaren über weite Strecken das Rennen an und sah schon wie der sichere Sieger aus. Doch wenige Runden vor Schluss begann es über der Stecke auf der ehemaligen Olympia-Anlage in Sotschi plötzlich zu nieseln.

Seinen ersten Rennsieg vor Augen, entschieden sich Norris und McLaren aber bei dem leichten Regen noch dafür, auf Trockenreifen zu bleiben, statt einen Boxenstopp für Regenreifen einzulegen und den dadurch entstandenen Rückstand wieder aufholen zu müssen. Es war die falsche Entscheidung: Der Regen wurde mehr, Norris rutschte von der Strecke und der auf Regenreifen fahrende Hamilton staubte den Sieg ab.

McLaren musste sich zurückkämpfen

Viele tröstende Worte bekam Norris damals zu hören: Kopf hoch, schon bald wird die nächste Chance kommen. Das war zwar nett gemeint, stellte sich jedoch als falsch heraus. Zur Saison 2022 führte die Formel 1 ein neues Regelwerk ein, die Boliden veränderten sich vollkommen – und McLaren bekam große Schwierigkeiten. Statt um Rennsiege musste Norris vorerst verbittert um einen Platz in den Top Ten kämpfen.

Stück für Stück arbeitete sich der Rennstall zurück, Norris fuhr oftmals sogar besser, als es das Auto eigentlich zugelassen hätte. Etliche Male schaffte es Norris aufs Podium, doch um die zu Dominatoren aufgestiegenen Red Bull zu schlagen, reichte es nie. Insgesamt 15 Podestplätze ohne Sieg erreichte Norris – ein Formel-1-Rekord, auf den er gerne verzichtet hätte.

„Lando Nowins“

Angesichts dieser Zahlen machte sich trotz seiner fahrerisch ohne Frage starken Leistungen im Internet Hohn über den jungen Briten breit. Als „Lando Nowins“ (auf Deutsch: Lando keine Siege) verspotteten ihn einige Fans. Nach dem Sieg ließ es sich Norris deshalb nicht nehmen, darauf Bezug zu nehmen. „Lando Nowins, huh?“, fragte er spöttisch am Boxenfunk und lachte.

Er wusste: 952 Tage nach dem verhängnisvollen Wetterumbruch in Russland sind diese Witze Geschichte. Dass es bald so weit sein würde, hat Norris wohl geahnt. Vor der Saison hatte er im britischen Ableger des TV-Senders Sky an einem launigen Lügendetektor-Test teilgenommen. Die Frage, ob er in dieser Saison ein Rennen gewinnen werde, beantworte er selbstbewusst mit Ja. Der Lügendetektor bescheinigte ihm, die Wahrheit gesagt zu haben.

Ausgestrahlt wurde das Interview ausgerechnet vor dem Rennen in Miami – und Norris ließ auf der Strecke prompt Taten folgen. „Ich habe es einfach satt, nicht daran zu glauben, also habe ich beschlossen, meine Einstellung zu ändern“, hatte Norris in dem Interview sein Selbstbewusstsein begründet.

Norris hat sich weiterentwickelt

Auch wenn das mit einem Augenzwinkern gemeint war, steht die Aussage dennoch sinnbildlich für die Entwicklung, die Norris durchgemacht hat. Denn nach seinem Formel-1-Einstieg im Jahr 2019 genoss Norris zunächst den Ruf als der lächelnde Sonnyboy, war als Spaßvogel bekannt. In den vergangenen Jahren wurde er jedoch zunehmend ernsthafter, ging nach Fehlern hart mit sich ins Gericht. Teils vielleicht sogar zu hart. Nicht zuletzt deshalb sagte er nach seinem Triumph in Miami: „Ich bin positiv geblieben, ich weiß, das ist selten!“ Damit bezog er sich auf das Sprintrennen am Tag zuvor, in dem er nach einem Crash in der ersten Kurve der ersten Runde ausgeschieden war.

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