19.11.2024 – 01:13 UhrLesedauer: 3 Min.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Rio de Janeiro. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Erstmals meldet die größte SPD-Landesgruppe im Bundestag Zweifel an Scholz als Kanzlerkandidat an. Doch wie stark sind die Kritiker wirklich?

Zuerst waren es nur Kommunal- und Landespolitiker. Dann schalteten sich erste Bundestagsabgeordnete in die Kanzlerdebatte in der SPD ein. Nun fordert wohl der erste Landesverband eine Entscheidung in Sachen Kanzlerkandidatur. Dabei meldete sich nicht irgendeine Landesgruppe: Mit der NRW-SPD bringt die größte und mächtigste Landesgruppe im Bundestag einen Wechsel des Kanzlerkandidaten ins Spiel: Boris Pistorius statt Olaf Scholz.

Der Personaldebatte gaben die Chefs der NRW-SPD-Landesgruppe, Dirk Wiese und Wiebke Esdar, nun laut eines Statements, über das die „Bild“-Zeitung berichtet, neue Nahrung. Es gebe angesichts der personellen Aufstellung für den anstehenden Wahlkampf eine laute Diskussion an der Basis. „Im Zentrum steht die Frage, was die beste politische Aufstellung jetzt für diese Bundeswahl ist. Dabei hören wir viel Zuspruch für Boris Pistorius“, so das Statement. Die SPD-Landesgruppenchefs verwiesen zwar darauf, dass letztlich die Parteigremien entscheiden, dennoch kann das Statement der NRW-Sozialdemokraten als Fingerzeig gelesen werden.

Denn auch die Co-Chefin des NRW-SPD-Landesverbands (nicht zu verwechseln mit der Gruppe der NRW-Parlamentarier im Bundestag), Sarah Philipp, befeuerte die Diskussion: „Die Partei stellt sich für einen kurzen und intensiven Wahlkampf auf. Dass mit Olaf Scholz und Boris Pistorius gleich zwei Sozialdemokraten zugetraut wird, ein guter Kanzler zu sein, ist dabei eine Stärke“, sagte Philipp zu „Bild“.

Das sorgte parteiintern umgehend für Spott. So veröffentlichte Oliver Moritz, SPD-Mitglied in NRW und Büroleiter des SPD-Landtagsabgeordneten Jochen Ott, sogleich ein Posting, in dem es hieß: „Mein Tipp, wer das Rennen um die Kanzlerkandidatur macht: Olaf Pistorius.“

Auch innerhalb scheint nicht jeder glücklich mit der Verlautbarung der beiden NRW-Landesgruppen-Chefs zu sein. „Dieses Statement der Vorsitzenden ist nicht in der NRW-Landesgruppe beschlossen worden“, sagte der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters am Abend. „Es ist missverständlich, schwächt den Bundeskanzler und hat bei den SPD-Bundestagsabgeordneten keine Mehrheit. Ich habe sofort für morgen eine Sondersitzung der NRW-MdBs beantragt.“

Offenbar scheint die SPD in der Tat gespalten, was die Frage der richtigen Wahl des Kanzlerkandidaten angeht. Auch wenn sich die Parteispitze längst für Scholz als Kandidat ausgesprochen hat, offiziell ist die Nominierung immer noch nicht. Das lässt Raum für Spekulationen und brachte einige in der SPD dazu, in den vergangenen Tagen vehement für eine rasche Festlegung in der Frage zu sorgen.

So dringt etwa der frühere SPD-Chef Norbert Walter-Borjans auf eine schnelle Klärung. „Olaf Scholz hat unser Land in einer extrem schweren Zeit vor viel Bedrohlichem bewahrt“, lobte Walter-Borjans in der „Rheinischen Post“ einerseits den Bundeskanzler, der für seine Partei wieder als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen will.

Andererseits schwächte Walter-Borjans seine vermeintliche Rückendeckung für den Kanzler aber auch gleich wieder etwas ab, indem er zu Bedenken gab: „Wahr ist aber auch, dass Merz nur mit einem Kanzler zu verhindern wäre, der auf den letzten Metern die Kraft aufbringt, selbstkritisch und nahbar den Unterschied deutlich zu machen. Das ist bisher Olaf Scholz‘ schwacher Punkt“, sagte er.

Der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz begründet die mögliche Kanzlerkandidatur von Scholz mit Verweis auf dessen Amt. „Der Kanzler ist der Kanzler und tritt als solcher erneut an. Das finde ich logisch“, sagte Schulz der „Rheinischen Post“. Schulz war selbst 2017 als SPD-Kanzlerkandidat gescheitert. Einen möglichen Wechsel zu Pistorius (SPD) als Kanzlerkandidat bezeichnete Schulz als „theoretische Debatte“.

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