Zuletzt wurde über eine Rückkehr von Toni Kroos ins DFB-Team spekuliert.
Ich will niemandem zu nahe treten, aber irgendwo ist es ein Armutszeugnis für den deutschen Fußball, dass es bislang niemand geschafft hat, den Posten, den Toni 2021 mit seinem Rücktritt freigeräumt hat, zu übernehmen. Offenbar hat Deutschland auf dieser Position ohne Toni nicht die Qualität, die man braucht, um auf internationalem Topniveau mitzuhalten.
Auch bei den Frauen steht ein Umbruch bevor, den die neue Sportdirektorin Nia Künzer mit der Nachfolgerin/dem Nachfolger von Horst Hrubesch vorantreiben muss. Waren Sie mit ihr im Austausch?
Wir haben uns das eine oder andere Mal gesehen und ausgetauscht. Ich war in den vergangenen Wochen auch immer mal wieder beim DFB, bin da also nicht Persona non grata, falls das irgendwer gedacht haben mag (lacht). Sie weiß, dass sie sich jederzeit bei mir melden kann. Ich hoffe sehr, dass sie mit einem positiven Erlebnis – der Qualifikation für Olympia – in ihr Amt starten kann.
Wie würden Sie den Zustand im deutschen Frauenfußball aktuell beschreiben? Die WM war sportlich ein Debakel, die Nations League verlief holprig, in der Champions League hat kein einziges Team die Gruppenphase überstanden.
Die aktuellen Ergebnisse in den Klubs sind ein Spiegelbild der zuletzt gezeigten Leistungen im DFB-Team. Dass es weder die Wolfsburger, die ja bereits in der Qualifikation zur Champions League gescheitert sind, noch der FC Bayern und Eintracht Frankfurt geschafft haben, die K.-o.-Runde zu erreichen, ist ein Fingerzeig. Ein negatives Ausrufezeichen. Dass das Ausscheiden bei der WM ein historisches Ereignis war, ist ebenso bekannt. Für die Frauen-Nationalmannschaft braucht es zeitnah eine Klarheit, wer diese Mannschaft in Zukunft betreuen wird.
In der aktuellen Situation würde ich mich für einen Mann aussprechen.
Joti Chatzialexiou über die Nachfolge von Horst Hrubesch
Sie hatten doch bestimmt schon jemanden auf dem Zettel.
Ich bin und war immer ein Unterstützer von Trainerinnen. Es ist wichtig für den Frauenfußball, dass es weibliche „role models“ gibt, die nach außen hin signalisieren, dass es möglich ist, diesen Posten zu übernehmen. In der aktuellen Situation würde ich mich aber für einen Mann aussprechen, da ich aktuell keine Deutsch sprechende Frau auf der Trainerposition sehe, die sich so aufdrängt, dass man an ihr nicht vorbeikommt.
Drängt sich denn ein Mann auf?
Meiner Ansicht nach ja. Ich habe ein, zwei Personen im Kopf, weil ich mich ja auch mit diesem Thema beschäftigt habe. Aber das habe ich intern geäußert und das bleibt auch so.
Der Name Colin Bell war immer wieder ein Thema.
Ja, aber vor allem, weil er mit Südkorea dafür gesorgt hat, dass wir ausgeschieden sind. Das allein ist noch kein Gütesiegel, um Bundestrainer zu werden – ohne das jetzt böse zu meinen. Ich finde, die Amerikanerinnen haben einen sehr guten Fang gemacht …
… Emma Hayes vom FC Chelsea übernimmt die US-Girls …
Das wäre eine Trainerin gewesen, die ich mir sehr gut hätte vorstellen können. Aber die USA waren einfach ein bisschen schneller.
Ich schätze Tabea und weiß, was sie meint. Es schadet nie, sich Impulse aus dem In- und Ausland zu holen. Aber wir haben intern beim DFB eine enorme Qualität. Wenn man davon überzeugt ist, dass die Trainer im eigenen Haus Potenzial haben, dann halte ich es für konsequent und auch richtig, auf dieses Potenzial zurückzugreifen. Nichtsdestotrotz: Es gibt Alternativen, die habe ich mir auch angeschaut. Jetzt bin ich aber nicht mehr derjenige, der die Entscheidung trifft.
Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann hat jüngst eine Abspaltung der Liga vom DFB ins Spiel gebracht. Halten Sie die Idee für zielführend?
Die Professionalisierung der Liga gehört beim DFB zu den wichtigsten Themenfeldern. Wenn wir uns dem nicht stellen und gewisse Stellschrauben drehen, dann wird die deutsche Frauen-Bundesliga international das Nachsehen und nicht mehr die Stärke der vergangenen Jahre haben. Am Ende geht es wie immer auch ums Geld. Und dass die Zeit der goldenen Wasserhähne beim DFB vorbei ist, das muss ich Ihnen nicht erzählen. Ich bezweifle aber, dass eine Abspaltung die Situation verbessern und beispielsweise die DFL mehr in den Frauenfußball investieren würde.
Gefühlt redet man beim Frauenfußball immer wieder über dieselben Themen, die Entwicklung geht aber nur schleppend voran.
Ich glaube schon, dass sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat, aber eben nicht genug. Noch mal: Die Professionalisierung muss her. Eine verstärkte Ausbildung von Fußballlehrern und -lehrerinnen, genügend Trainingsplätze, Rasenheizungen – einfach eine deutlich bessere Infrastruktur. Es kann nicht sein, dass bestimmte Vereine diese Voraussetzungen bieten und andere Mädels auf irgendeinem Acker trainieren müssen, weil sie nicht die Unterstützung bekommen, die sie verdient haben.
DFB-Geschäftsführer Holger Blask hat eine mittelfristige Aufstockung der Liga angekündigt.
Diesen Schritt haben wir in der Vergangenheit häufig diskutiert, und er ist auch Bestandteil des „Projekt Zukunft weiblich“. Damals gab es jedoch keine Mannschaften, die die infrastrukturellen Voraussetzungen stemmen konnten. Heute zeichnet sich ein etwas besseres Bild ab, da einige Bundesligavereine den Frauenfußball als Chance sehen, um ihren Klub für neue Zielgruppen attraktiv zu machen. Daher wäre zukünftig eine Aufstockung sinnvoll.
Die letzten 13 Monate waren sportlich mehr als unbefriedigend, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. Anfang Dezember konnten Sie in Indonesien zumindest einen deutschen WM-Erfolg im Nachwuchs bejubeln, die deutsche U17 wurde Weltmeister. Ein versöhnlicher Abschluss für Sie?
Definitiv. Das war sehr emotional und hat mich für die Jungs unglaublich gefreut. Aber ich weiß auch, dass die Mannschaften darüber sportlich keine gute Figur abgegeben haben. Rückblickend kann ich sagen, dass es hilft, durch eine Krise zu gehen. Für meine kommenden Stationen wird das ungemein wichtig gewesen sein. Wichtig für den deutschen Fußball wird nur sein, dass wir uns, nur weil die U17 jetzt Weltmeister geworden ist, nicht in die Hängematte legen.
Haben Sie Sorge, dass das passieren könnte?
Wir wollen den deutschen Fußball zurück an der Weltspitze sehen. Stand jetzt habe ich ein bisschen Bauchgrummeln, weil ich nicht weiß, ob wir auf gewissen Positionen die Qualität haben werden, um Titel zu gewinnen. Deutschland ist eine Fußballnation. Wir werden immer eine gute Mannschaft stellen und auch Talente herausbringen. Aber es darf nicht sein, dass sich Ideen und Anregungen über Jahre ziehen. Und das mussten ich und mein Team leidlich im „Projekt Zukunft“ feststellen. Das 9-gegen-9 beispielsweise, das noch vom früheren DFB-Sportdirektor Matthias Sammer konzipiert wurde, ist erst nach acht Jahren in der D-Jugend deutschlandweit umgesetzt worden. Acht Jahre sind in anderen Branchen Lichtjahre, da verlierst du irgendwann den Anschluss. Sollte ich jobtechnisch in Deutschland bleiben, dann werde ich sicherlich weiter auch für diese Themen kämpfen.
Neben Ihnen hat auch Tobias Haupt, langjähriger Bereichsleiter der DFB-Akademie, den Verband verlassen. Reißt der DFB seine eigene Arbeit wieder ein?
Tobi war immer wieder ein wichtiger Ansprechpartner für mich. Unser Ziel war es, mit der DFB-Akademie technische und andere Innovationsthemen in unser Land zu bringen und sie der Fußballfamilie zur Verfügung zu stellen. Mirko Dismer wird diese Aufgabe nun federführend übernehmen und weiterführen. Einige Themen werden fortgesetzt. Andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass Andreas Rettig andere Schwerpunkte setzen wird.
Eine andere Sportart kommt, Stand jetzt, für mich nicht infrage.
Joti Chatzialexiou über seine persönliche Zukunft
Über Ihre persönliche Zukunft wurde zuletzt auch viel spekuliert, der VfB Stuttgart sucht aktuell einen Sportvorstand. Ein Thema für Sie?
Zu diesen Gerüchten habe ich mich nie geäußert und werde ich auch in Zukunft nicht. Wenn es was zu vermelden gibt, dann werde ich es bekannt geben. Ich kann sagen, dass mich der Vereinsfußball sehr interessiert und ich auch stärker ins Tagesgeschäft möchte. Wie bei Trainern auch, die im Klub Tag für Tag mit ihrer Mannschaft auf dem Platz stehen möchten, reizt mich auch eine Aufgabe, bei der es Woche für Woche um Fußball geht. Der VfB ist ein toller Verein, mit einem wundervollen Trainer. Ich freue mich für die Menschen vor Ort und schaue mir gerne schönen Fußball an, deswegen werde ich mir auch in Zukunft sicherlich das eine oder andere Spiel des VfB anschauen.
Ex-DFB-Manager Oliver Bierhoff ist aktuell als Berater bei den New England Patriots in der NFL tätig. Ist für Sie solch ein Sportartenwechsel auch vorstellbar?
Mein Herz gehört dem Fußball. Eine andere Sportart kommt, Stand jetzt, für mich nicht infrage. Ich bin als kleiner Junge auf dem Bolzplatz groß geworden und möchte die Dinge, die ich über die vergangenen Jahre beim DFB erlebt habe und entwickeln konnte, weiter vorantreiben. Im Fußball bin ich am besten aufgehoben.