Es ist eine Jahrhundert-Tragödie: Ein Wetterphänomen, das als „kalter Tropfen“ bekannt ist, forderte in Spanien Dutzende Menschenleben. Das Land trägt Trauer.
„Ich halte mich an dieser Pflanze fest, um mich herum gibt es aber nichts, nichts, nur Wasser, als wäre ich mitten im Meer.“ Per Handyvideo und mit angsterfüllter Stimme hat Maite Jurado aus Paiporta, nahe der Metropole Valencia, Freunde und Verwandte um Hilfe gebeten. Ihr Auto war zu dem Zeitpunkt längst von den Wassermassen weggespült worden. Die junge Spanierin erlebte einen Albtraum – und wurde gerettet. Während sie mit dem Schrecken davonkam, starben bislang mindestens 95 Menschen bei der jüngsten Unwetterkatastrophe in Spanien.
Mindestens 92 Tote meldete die Regionalregierung allein in der Region Valencia. Zwei weitere Leichen wurden in der benachbarten Region Kastilien-La Mancha geborgen, eine in Málaga im südspanischen Andalusien. Es wird jedoch befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter ansteigen wird. Allein in Paiporta könnte es Dutzende Tote geben, erklärte Bürgermeisterin Maribel Albalat gegenüber Medien. Es werde noch immer nach zahlreichen Vermissten gesucht. Wie die Lokalzeitung „Levante-EMV“ berichtete, seien nach Angaben der Guardia Civil noch rund 1.200 Menschen in ihren Autos eingeschlossen.
Besonders schlimm ist die Lage in der auch bei Urlaubern sehr beliebten Region Valencia. Doch auch andere Mittelmeer-Anrainer-Regionen, darunter Andalusien und Murcia, sind schwer betroffen. Die starken Regenfälle haben unzählige Straßen, Gebäude und Felder unter Wasser gesetzt. Straßen und kleinere Brücken brachen in den Wassermassen weg. Bäume, Autos und auch große Lastwagen wurden wie Spielzeug mitgerissen.
Neben dem heftigen Regen gab es Hagel und starke Windböen. Einwohner der andalusischen Küstenortschaft El Ejido, unweit von Almería, sprachen von Hagelkörnern „so groß wie Golfbälle“.
Autobahnen und Landstraßen wurden gesperrt. Auch Flug- und Bahn-Verkehr waren erheblich beeinträchtigt. Am Dienstag war ein Hochgeschwindigkeitszug auf dem Weg von Málaga nach Madrid wegen eines Steinsturzes entgleist. Verletzte gab es dabei nicht. Mehr dazu lesen Sie hier.
Zahlreiche Menschen waren in Häusern, Büros oder Einkaufszentren eingeschlossen und setzten wie Maite Jurado Notrufe in sozialen Medien Notrufe ab. Viele riefen auch beim TV-Sender RTVE und anderen Medien an, weil sie Freunde und Verwandte nicht kontaktieren konnten. „Ich suche meinen 40 Jahre alten Sohn Enrique, der gestern mit seinem Van beruflich unterwegs war und von dem ich seitdem nichts mehr höre“, sagte ein Rentner in RTVE – den Tränen nahe.
Auf unzähligen Videos in Medien und im Internet ist zu sehen, wie Menschen auf den Dächern von Autos und Häusern Schutz suchten. Allerdings waren diese bereits komplett vom Wasser umgeben. Bei den Such- und Rettungsarbeiten sind neben Feuerwehrleuten und Angehörigen des Zivilschutzes allein in Valencia über 1.000 Kräfte der militärischen Nothilfeeinheit UME im Einsatz.
Eine RTVE-Reporterin sprach auf einer überschwemmten Straße, in der zerstörte Fahrzeuge teils übereinander gestapelt lagen, von „kriegsähnlichen Szenen“. Eine Anwohnerin sagte: „Das ist wie die Hölle.“ Ein geretteter Rentner äußerte weinend vor laufenden Kameras: „Das war schrecklich, danke, danke an meine Schutzengel, die mich gerettet haben.“
Der spanische Ministerpräsident, Pedro Sánchez, sprach den Betroffenen Mut zu und versprach schnelle Hilfe: „Wir werden alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Wir werden euch nicht im Stich lassen.“ Er fügte hinzu: „Ganz Spanien weint mit euch.“