Polen unterstützt laut Michael Kretschmer die Pläne für eine sächsische Grenzpolizei. Er wiederum lobt bei „Illner“ Donald Tusks Linie beim Asyl als „pragmatisch“.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) macht Ernst mit einer eigenen sächsischen Grenzpolizei und sieht Rückendeckung aus Polen. Er sei vor einer Woche in Warschau auf großes Verständnis für seine Pläne gestoßen, sagte Kretschmer am Donnerstagabend bei „Maybrit Illner“: „Man will den Durchstrom der illegalen Migration begrenzen und man versteht, dass Deutschland das tun muss“, sagte er.

  • Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen
  • Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen), scheidender Parteivorsitzender
  • Gerald Knaus, Migrationsforscher
  • Kristina Dunz, „Redaktionsnetzwerk Deutschland“
  • Sarah Tacke, ZDF-Rechtsexpertin
  • Natalie Steger, ZDF-Studio Warschau

Was solle das für einen Sinn ergeben?, wollte Illner hingegen wissen und fragte: „Wohin schieben Sie ab?“ Darüber müsse noch geredet werden, sagte Kretschmer. „Aber erst mal muss man ja dafür sorgen, dass das hier nicht ein Land ist, in dem alles passieren kann, sondern wo Recht und Ordnung gilt.“ Sachsen sei wie Polen am Rande der Aufnahmefähigkeit. „Deshalb: Hilfe ja, aber wenn dann in den Herkunftsländern.“

Der sächsische Ministerpräsident unterstützte auch die harte Linie, die Polens Ministerpräsident Donald Tusk in der Asylpolitik fährt. Dieser wolle nicht das gesamte EU-Asylrecht aussetzen, sondern verhindern, dass illegale Flüchtlinge als Teil hybrider Kriegsführung über die belarussische Grenze geschleust werden.

Diesen Menschen werde signalisiert: „Ihr werdet hier keinen Anspruch auf Asyl haben, wir werden die Grenzen sichern und wir werden euch wieder zurückbringen. Das finde ich sehr richtig“, sagte Kretschmer bei „Maybrit Illner“. „Das ist eine pragmatische Haltung, die man sich auch von der deutschen Bundesregierung noch stärker wünschen würde.“

Kristina Dunz vom „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) sah in der sächsischen Grenzpolizei hingegen einen weiteren Sargnagel für die Reform des EU-Asylrechts. Wenn ein Bundesland wie Sachsen das „in der Härte“ durchziehe, sei der mühsam ausgehandelte Kompromiss vom Frühjahr bald überholt. „Dann macht jeder Seins und dann können sie in Brüssel von vorne anfangen“, sagte die stellvertretende Leiterin des RND-Hauptstadtbüros.

Die Journalistin monierte außerdem einen um sich greifenden Egoismus, bei dem sich jeder so gut wie möglich selbst schütze. Die Menschlichkeit sei in der Diskussion verloren gegangen. Doch die Stimmung der Angst und der Aggression gegenüber Migranten, die damit geschürt werde, nütze am Ende bei den Wahlen nur der AfD und dem BSW, warnte Dunz Kretschmer.

Würde der EU-Asylkompromiss scheitern, wäre hingegen nach Ansicht des Migrationsforschers Gerald Knaus nicht viel verloren. Die Reform sei von Anfang an missglückt gewesen und das EU-Recht werde von vielen EU-Ländern mittlerweile nicht mehr beachtet. Als hoffnungsvolles Signal wertete Knaus da den jüngsten Vorstoß aus Baden-Württemberg.

Die Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert von der Ampel eine schärfere Migrationspolitik, unter anderem durch Asylverfahren in sicheren Drittstaaten. Deutschland habe eine solche Initiative von 15 EU-Staaten im vergangenen Jahr noch verhindert, kritisierte Knaus. Dabei ließe sich damit sicherstellen, dass Menschenrechte gewahrt und Menschenleben gerettet werden. Die Zeit dränge: „Wir stehen hier vor einer katastrophalen Entwicklung, wo wir keine Antworten haben.“

„Dass man Drittstaaten suchen sollte, das höre ich ständig“, sagte der scheidende Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour bei „Illner“ zum Vorstoß seines Parteifreundes Kretschmann. „Ich würde gern erst mal wissen, welches Land gemeint ist“, forderte Nouripour. So sei sogar über Mali als angeblich sicherer Drittstaat diskutiert worden – also eine von Militärputschs erschütterte Nation, deren Regierung russische Truppen ins Land geholt hatte.

Natalie Steger, Leiterin des ZDF-Studios Warschau, berichtete von der Lage an der polnischen Grenze zu Belarus. Es gebe den Vorwurf, dass dort bewaffnete und zunehmend aggressive junge Männer aus Afrika und dem Nahen Osten ohne Asylanspruch gezielt in die EU geschleust würden. „Man spricht sogar davon, dass eine neue Welle bevorsteht“, sagte die aus Warschau zugeschaltete Reporterin.

Kann ein Land überhaupt seine eigene Migrationspolitik bestimmen?, wollte Illner zum Schluss von der ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke wissen. „Nur sehr eingeschränkt“, antwortete die Juristin. Grundlegende Änderungen im Recht auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene seien möglich, bis zu Grundgesetzänderungen mit Zweidrittelmehrheit.

Nicht zur Disposition stehe dagegen die „Ewigkeitsklausel“ in der deutschen Verfassung, laut der die Würde des Menschen unantastbar sei, sagte Tacke. Daraus folge: Kein Mensch dürfe in den sicheren Tod geschickt werden. „Daran kommen wir nicht vorbei“, sagte Tacke. „Alles darum ist Verhandlungssache.“

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