Der Wiesn eilt ihr Ruf voraus: Das viele Bier bringt in jedem Jahr tausende volltrunkene Heimkehrer hervor. Und die hinterlassen ihre Spuren – sehr zum Leidwesen der Anwohner.

Urinpfützen, Lachen von Erbrochenem und benutzte Kondome. Wer zur Wiesn-Zeit rund um das Festgelände unterwegs ist, muss besonders zu späterer Stunde einen wahrlichen Ekel-Hindernisparcours hinlegen. Was für die meisten nur ein kurzer Gang in Richtung U-Bahn oder Taxi ist, ist für die Anwohner rund um die Theresienwiese für zwei Wochen lang der traurige Alltag. Ihre Geschichten: abenteuerlich.

„Wir sind leider die erste Hecke zwischen Wiesn-Ausgang und U-Bahn. Wir haben schon wirklich viele Leute, die sich vor unserer Tür treffen oder sich dort erleichtern“, erzählt Sina Bischoff. „In diesem Jahr ist es noch ganz in Ordnung, aber bis vor ein paar Jahren war es so schlimm, dass wir mit unseren Kindern immer Wasserbomben auf die Wild-Piesler geworfen haben“.

Inzwischen würden sie im ganzen Wohnhaus das Licht anlassen, um die ungewollten Besucher zu vertreiben. Helfen würde das nicht immer: „Ich muss morgens auf dem Weg in die Schule mit meinen beiden Kindern über Kotze und Scheißhaufen steigen. Das ist schon ekelig.“ Manchmal würden Leute auch im Wohnungseingang übernachten. Wie sie das ihren Kindern erklärt? „Wir sagten ihnen halt, dass die Leute ein bisschen zu viel Alkohol getrunken haben“.

Trotzdem sei für Bischoff die aktuelle Wohn-Situation hinnehmbar: „Naja, wir haben das ja gewusst, als wir vor zehn Jahren hier hergezogen sind. Das sind zwei Wochen im Jahr, die verkraftet man schon.“ Viele Anwohner im Haus würden ihre Wohnungen allerdings zur Wiesn-Zeit untervermieten und in den Urlaub fliegen. Familie Bischoff hingegen bleibt zu Hause und besucht gerne selbst die Wiesn. Allerdings lieber „ganz gemächlich“.

Auch eine andere Anwohnerin, eine ältere Dame, findet: „Es ist ein Ausnahmezustand zur Wiesn-Zeit. Ich lebe seit 30 Jahren hier und die Stimmung wird immer aggressiver.“ Vor allem die Rikscha-Fahrer und die Taxi-Fahrer würden immer rücksichtsloser werden. Ein großes Problem außerdem: die betrunkenen Gäste. „Ich hatte einmal den Fall, dass bei mir auf einem Auto im Hinterhof Sex gemacht wurde. Am helllichten Tag! Andere haben davon Aufnahmen gemacht und applaudiert. Das war schon abartig“, erinnert sich die Frau.

Ein Grund für das rücksichtslose Verhalten einiger Gäste sei ihrer Meinung nach das Wiesn-Bier, das stärker ist als üblich: „Das wirkt wie Marihuana oder Koks“, sagt sie. Das Oktoberfest besuche sie in diesem Jahr nicht: „Ich war im vergangenen Jahr da, heuer habe ich keine Lust“. Sie fände es schade, dass die Menschen nicht in zivilisierterer Stimmung feierten könnten, sondern nur im Ausnahmezustand: „Da geht doch die ganze Freude verloren“.

Nicht in allen Straßen rund um die Wiesn scheint die Situation so heftig zu sein, wie auf der Achse zwischen Theresienwiese und Bahn-Station. „Bei uns ist es wie immer – entspannt. Wir merken keinen Unterschied zu sonst“, erzählen Britta und Patrick. Für Britta ist es die erste Wiesn als Anwohnerin, Patrick lebt bereits seit drei Jahren dort.

„Das Einzige was ab und zu mal ist, ist das jemand falsch parkt. In den Straßen um uns herum ist es eine Vollkatastrophe, Goetheplatz, Poccistraße. Wir hingegen haben Glück“, freut sich Patrick. „Hier kommen fast keine Leute durch.“

Dementsprechend zufrieden seien sie auch mit der Lage ihrer Wohnung – vor allem für den eigenen Wiesn-Besuch. „In meinem ersten Jahr bin ich in der ersten Woche allein fünfmal zur Wiesn gegangen“, erinnert sich Patrick zurück. Inzwischen hätte sich das aber bei etwa zwei bis drei Mal pro Jahr eingependelt. „Wiesn macht schon Spaß“, findet er.

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