Parteien
Kommission zu Fall Gelbhaar: Schlechtes Zeugnis für Grüne
Aktualisiert am 12.06.2025 – 17:19 UhrLesedauer: 4 Min.
Die mindestens zum Teil fingierten Vorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar sorgte für Aufregung. Nun bemängeln interne Aufklärer den Umgang der Partei damit.
Die interne Kommission der Grünen zum Umgang mit teils erfundenen Belästigungsvorwürfen gegen den früheren Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar zieht eine vernichtende Bilanz. Der Blick auf die Vorwürfe gegen Gelbhaar sei zu naiv gewesen, lautet eine der zentralen Schlussfolgerungen. Der Vorstand der Partei räumte in einer Reaktion Fehler ein, verteidigte aber auch die Arbeit der Bundesgeschäftsstelle. Das Ombudsverfahren zum Fall Gelbhaar werde beendet. Zuvor hatte der „Stern“ berichtet.
Bei der Ombudsstelle der Bundespartei waren im vergangenen Jahr Vorwürfe gegen Gelbhaar eingegangen. Nachdem diese bekannt und Thema in den Medien wurden, verlor er seine Direktkandidatur für den Wahlkreis Pankow für die anstehende Bundestagswahl. Zuvor hatte Gelbhaar schon seinen Verzicht auf die Kandidatur auf der Landesliste der Berliner Grünen erklärt.
Zu den Folgen für die Grünen selbst schreiben die Autoren des Berichts, in dem Gelbhaar als S.G. abgekürzt wird: „Für die gesamte Grüne Partei bedeutete der Vorgang um S.G. einen erheblichen Reputations- und Vertrauensschaden. Er hat möglicherweise auch den Ausgang der Bundestagswahl tangiert.“
Den ganzen Bericht kennt nur der Grünen-Vorstand
Die Grünen hatten am 30. Januar die frühere schleswig-holsteinische Justizministerin Anne Lütkes und den langjährigen Bundestagsabgeordneten und Mitglied des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Jerzy Montag, mit der Aufarbeitung der Vorgänge beauftragt.
Der Bericht soll vor einigen Wochen fertig geworden sein und wurde nur in einer 25-seitigen Zusammenfassung veröffentlicht, was mit dem Schutz persönlicher Daten begründet wird. Die ungefähr doppelt so lange Originalversion liege nur dem Bundesvorstand vor, hieß es. Auch Gelbhaar selbst kenne sie nicht.
Gelbhaar selbst begrüßte den Bericht. Dieser solle nun sorgfältig geprüft werden. Zu den Geschehnissen selbst sagte er der Deutschen Presse-Agentur: „Erfundene Vorwürfe wurden platziert, rechtsstaatliche Prinzipien nicht eingehalten, es gab massive Vertraulichkeitsverletzungen, die Meldungen bekam ich nicht zur Kenntnis, es ist keine Gelegenheit zur Stellungnahme geschaffen worden.“ Und weiter: „Das Fehlen klarer Satzungen und Strukturen hat das Ombudsverfahren zu einem alptraumhaften, nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen genügendem Prozedere gemacht.“
Über die bestehenden Ombudsstrukturen der Grünen fällen Lütkes und Montag ein vernichtendes Urteil: „Das bisherige Ombudsverfahren leidet an fehlender innerparteilicher Legitimität, an fehlenden Verfahrensstrukturen und einer fehlenden Verfahrensordnung sowie an erheblichen rechtsstaatlichen Defiziten und Definitionsmängeln.“
Die Nutzung des Ombudsverfahrens für politische Zwecke sei klar erkennbar gewesen. Dennoch sei gar nicht in Betracht gezogen worden, dass es sich um „ein zumindest organisiertes Vorgehen mit einer politischen Zielsetzung handeln könnte“. Dabei sei das Ziel erkennbar gewesen, die Kandidatur Gelbhaars auf der Landesliste zu erschweren oder zu verhindern. Gelbhaar habe nicht die Gelegenheit bekommen, sich in einem innerparteilichen Schiedsgerichtsverfahren zu erklären oder zu verteidigen.
Auffällig hätte sein müssen, dass innerhalb sehr kurzer Zeit mehrere Meldungen zu zum Teil Jahre zurückliegenden Vorwürfen eingegangen seien, so der Bericht – und zwar direkt vor der Versammlung zur Aufstellung der Landesliste am 14. Dezember. Dies sage aber nichts über den Wahrheitsgehalt der einzelnen Meldungen noch über die Motive aller Meldenden aus.
Bundesvorstand räumt Fehler ein – und verteidigt sich
Der Bundesvorstand der Grünen verteidigte sich gegen den Vorwurf eines arglosen Umgangs mit den Anschuldigungen gegen Gelbhaar. „Eine politische Instrumentalisierung der Meldungen wurde von Anbeginn auch als möglich mitgedacht, konnte aber in der Risikoabwägung mit Blick auf ein bereits beim Bund bekanntes Ombudsverfahren und aufgrund der Zahl und Bandbreite der in den Meldungen enthaltenen Vorwürfe nicht allein handlungsleitend sein“, schreibt er in einer Stellungnahme.
Die politisch Verantwortlichen auf den Ebenen Kreisvorstand, Landesvorstand und Bundesvorstand hätten stets nach bestem Wissen und Gewissen und auf Basis der ihnen jeweils vorliegenden Informationen gehandelt. Es hätten sich Frauen gemeldet, auch gegenüber der Kommission, und berichtet von Erfahrungen und Beobachtungen, „die nicht strafrechtlich relevant sind, aber als grenzverletzend, unangemessen oder übergriffig wahrgenommen wurden“.
Man sei unter anderem angesichts der nahen Bundestagswahl mit dem Fall „strukturell überfordert“ gewesen, so der Bundesvorstand. Trotz der herausfordernden Lage im beginnenden Bundestagswahlkampf „kümmerten sich alle Beteiligten im Rahmen ihrer Möglichkeiten sensibel und sorgfältig um die Behandlung der Meldungen“.