Mehrere EU-Länder erleben derzeit die nächste Hochwasserkatastrophe. Auch Deutschland ist betroffen. Wie viel Anteil der Klimawandel daran hat oder ob es sich lediglich um ein Herbstphänomen handelt, weiß der deutsche Meteorologe Mojib Latif.

In Tschechien, Polen und Österreich haben am Wochenende sintflutartige Regenfälle ganze Landstriche unter Wasser gesetzt. Mehrere Menschen sind in den Fluten gestorben, weitere werden vermisst. Die Lage ist dramatisch. Ebenfalls von den Überschwemmungen betroffenen ist Rumänien und auch in Deutschland steigen die Wasserstände.

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Doch während in Bayern das Hochwasser am Montag bereits wieder nachließ, blicken die Menschen im Osten Deutschlands zum Wochenbeginn weiterhin auf die Wassermassen, die auf sie aus den osteuropäischen Nachbarländern zukommen. So lag der Wert der Elbe in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden am Montagmorgen bei 5,54 Metern, teilte das Landeshochwasserzentrums mit. Noch im Tagesverlauf werde mit einem Überschreiten der Sechs-Meter-Markierung gerechnet, ab dann gilt die zweithöchste Alarmstufe drei.

Angesichts des Ausmaßes, das der Starkregen mittlerweile angenommen hat, fragte t-online den deutschen Meteorologen und Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif, wie viel Anteil der Klimawandel an der aktuellen Hochwasser-Katastrophe hat und ob es sich dabei nicht doch nur um ein Herbstwetter-Phänomen handelt.

„Ohne den Klimawandel lässt sich das, was wir gerade erleben, nicht erklären. Die Regenfälle, die wir jetzt erleben, stellen in vielen Regionen alles in den Schatten, was wir bisher beobachtet haben. Selbst die Rekordregenmengen im vergangenen Jahr in Österreich und in Wien im August dieses Jahres“, sagt Latif und fügt hinzu: „Solche Regenmengen sind leider das neue Normal.“

Ursache für die großen Regenmengen ist ein Mittelmeertief, auch Vb-Tief genannt (ausgesprochen: „Fünf-B-Tief“, mehr dazu lesen Sie hier). „Das Mittelmeer ist durch die hohen Temperaturen in der Mittelmeerregion in diesem Sommer aufgeheizt. Dadurch verdunstet mehr Wasser. Die wärmere Luft kann außerdem mehr Wasser aufnehmen und transportiert es nach Norden“, beschreibt Latif, der u. a. am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel tätig ist, die Ursache für die derzeit heftigen Niederschläge in Osteuropa und Deutschland.

Der Klimaforscher Mojib Latif. (Archivbild) (Quelle: IMAGO/teutopress GmbH)

Prof. Dr. Mojib Latif Mojib Latif ist ein deutscher Meteorologe, Ozeanograph, Klimaforscher und Hochschullehrer. Seit 2012 ist er Professor für Meteorologie und Klimaforschung am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel (GEOMAR).

Enttäuschend findet der Experte, dass der Klimawandel infolge anderer Katastrophen wie die Coronavirus-Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine inzwischen „kaum noch eine Rolle spielt“, wie er sagt. „Die Entwicklung geht in einigen Bereichen sogar rückwärts.“

Das zeige sich etwa in der „Wahl von Parteien, die den Klimawandel leugnen oder keinen Klimaschutz in ihrem Wahlprogramm anbieten“, und im Großen, weil die Weltpolitik bei diesem Thema „nicht genug mache“, sagt Latif. „Obwohl sich die Politiker jedes Jahr zur Weltklimakonferenz treffen, passiert so gut wie nichts. Kaum etwas von dem Wissen, das die Wissenschaft seit Jahrzehnten zum Klimawandel beisteuert, wird umgesetzt.“

Deutschland bemühe sich wenigstens bei der Umsetzung der Klimaziele. Beispielsweise beim Kohleausstieg und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. „In anderen Ländern spielt Klimaschutz keine Rolle.“ Ein Problem hierzulande sei Latif zufolge jedoch, „dass große Teile der Bevölkerung nicht bereit sind, etwas für den Klimaschutz zu machen. Die Leute müssen von den Maßnahmen profitieren, dann handeln sie.“ Als Beispiel nennt er die Bahn: „Warum soll ein Pendler auf die Bahn umsteigen? Es ist nicht sicher, ob ein Zug pünktlich oder überhaupt fährt“, gibt Latif zu bedenken. „Man kann nicht erwarten, dass ein Pendler etwas ändert, wenn er keine Vorteile durch das Bahnfahren hat oder es gar keine Bahn gibt.“

Auch die Kommunikation der Politiker in Deutschland zum Einsatz von Wärmepumpen sei missglückt. „Längerfristig würden die Menschen davon profitieren und sie ist auch günstiger als andere Heiztechniken. Doch die Kommunikation war schlecht.“ Hinzu sei eine Desinformationskampagne gekommen. Am Ende wurde das Gegenteil erreicht.

„Wir machen die Zukunft unserer Nachkommen kaputt, solange nichts passiert“, ist sich der Wissenschaftler sicher, der das Wort „Jahrhunderflut“ mittlerweile inflationär gebraucht sieht. „Wie viele dieser Jahrhundertfluten hatten wir inzwischen? Die Welt ist hilflos und den Herausforderungen nicht gewachsen. Ohne einen Plan für die Aufgaben, die nun wichtig wären. Alle zusammen könnten etwas erreichen, doch aus der Weltpolitik kommen nur wohlfeile Sprüche“, sagt Latif. „Das A und O wäre eine internationale Kooperation. Das ist derzeit nicht die Königsdisziplin der Weltpolitik. Dass einzelne Länder wie Deutschland vorangehen, ist wichtig. Und wenn alle an einem Strang ziehen, sind auch Wohlstand und Umweltschutz möglich.“

Latif ist klar, dass jeder Mensch Wohlstand anders definiert. „Das ist eine Frage der Wertigkeit“. Und worauf der Einzelne verzichten könne.

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