Das Filmtheater Sendlinger Tor muss nach über 100 Jahren schließen. Damit verschwindet eine Münchner Institution. Was das Kino zu etwas Besonderem macht.

Sobald man auf der Rolltreppe aus dem U-Bahn-Schacht am Sendlinger Tor in Richtung Oberfläche rollt, ist es zu sehen: das gleichnamige Filmtheater Sendlinger Tor. Verschiedene Filmplakate machen Werbung für das, was hier im Kino läuft. Jeder Film ist sorgfältig ausgesucht von Christoph Preßmar. Er ist Betreiber und Kurator. In einer Zeit, in der große Kinos mit mehreren Sälen sowie Streamingdienste eine Vielzahl an Filmen anbieten, eine ziemliche Herausforderung, sagt er. Aber es sei keine Arbeit, sondern pure Leidenschaft. Davon muss er sich jedoch schon bald verabschieden.

Seit knapp 80 Jahren betreibt Preßmars Familie nun schon das Kino am Sendlinger Tor. „Mein Vater, und auch ich, sind in diesem Kino groß geworden. Deshalb ist dieser Einschnitt, also dass wir unser Kino jetzt aufgeben müssen, für die ganze Familie schwierig.“ Preßmar sitzt in seinem Büro, mit Blick auf die Fahrgäste, die aus der U-Bahnstation strömen. Das Kino sei wie eine Art Familienmitglied, erzählt er. Der Verlust sei also umso schmerzlicher. Anfang kommenden Jahres muss das Kino schließen. Wie kam es dazu?

Seit rund 15 Jahren würden die Hausbesitzer versuchen, die Rendite zu steigern, also mehr Gewinn zu erwirtschaften. „Seitdem versuchen sie, uns, also dem Kino, zu kündigen, damit sie hier etwas anderes reinmachen können.“ Vor rund sechs Jahren habe die Hausgemeinschaft dann eine Räumungsklage erwirkt. Auch wenn sie die Klage inzwischen zurückgenommen habe, wurde dem Kino trotzdem gekündigt. „Somit war unser Schicksal besiegelt.“ Am 31. Januar 2025 müssen sie das Kino verlassen haben. Am 15. Januar wird dann die letzte Aufführung sein. Wie es dann weitergeht, sei noch ungewiss.

„Das Kino steht innen wie außen unter Denkmalschutz. So auch die Betriebsform. Wir sind jetzt 111 Jahre alt und es ist das einzige noch existierende Erstaufführungskino in München – also wirklich etwas Besonderes.“ Sollte etwas anderes hier hineinkommen, wäre das für Preßmar mehr als befremdlich. „Es ist als Kino gebaut worden und man kann hier auch Kino betreiben. Man kann halt nicht reich werden damit.“

„Es hat eine einmalige, besondere Architektur“, beschreibt es Preßmar. Die hohen Wände, die die Leinwand links und rechts säumen, bieten auch auf einer weiteren Etage mehrere Sitzgelegenheiten. Die roten Bezüge laden zum Hinsetzen ein, und gepaart mit den schmuckvollen Deckenleuchten könnte man fast meinen, man sei in einem Theater. „Es gibt ja manchmal so Räume, in die geht man rein und merkt, dass dort immer noch ein bisschen die Geschichte wabert. Diesen Saal gibt es nur einmal.“

Das Wichtigste aber, sagt Preßmar, sei das Kinoprogramm. Er wählt jeden Film gründlich aus. Das habe dazu geführt, dass viele Besucher zu Stammkunden wurden, weil sie Vertrauen in seine Auswahl haben.

Auch prominente Persönlichkeiten sind Teil des Repertoires des Kultkinos. „In den 50er- und 60er-Jahren war alles, was Rang und Namen hat, hier.“ Später waren dann der Regisseur Martin Scorsese und der Dalai Lama für eine Filmpremiere dort. „Wir hatten viele Premieren hier. Es wäre besser, zu fragen, wer nicht da war.“ Im vergangenen Jahr war sogar der FC Bayern zweimal im Kino am Sendlinger Tor.

Wie es für Preßmar selbst weitergeht, ist noch unklar. „Ich hab keine Ahnung“, sagt er mit einem Seufzen. „Mein Vater, der hier auch noch mitarbeitet und der nächstes Jahr 80 wird, der weiß zwar, dass er jetzt nicht mehr arbeiten muss, aber das ist sein Lebenswerk. Er hat 50 Jahre in diesem Kino gearbeitet, ich 20.“ Preßmar ist Familienvater, bis jetzt weiß er noch nicht, wie es für ihn beruflich weitergeht. Allerdings müsse er sich jetzt erst mal auf das noch vor ihm liegenden Monate konzentrieren.

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