Nicht alle Kapitäne wurden glücklich
Kimmich tritt in große Fußstapfen beim DFB
02.09.2024 – 22:56 UhrLesedauer: 4 Min.
Joshua Kimmich ist neuer Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Die Historie der DFB-Anführer zeigt, dass es besonders in diesem Jahrtausend turbulent und emotional zuging.
Seit dem legendären Fritz Walter als Weltmeister 1954 kommt dem Amt des Kapitäns der deutschen Fußball-Nationalmannschaft eine immense öffentliche Bedeutung zu. Franz Beckenbauer trug die damals noch schwarz-weiß gehaltene Binde 50 Mal bis zum WM-Sieg 1974. Mit dem Rücktritt von İlkay Gündoğan aus der DFB-Elf wurde nun zum Start in die neue Länderspiel-Saison ein neuer Spielführer gesucht.
Bundestrainer Julian Nagelsmann, der eher in flachen Hierarchien denkt, hat sich nach der Zusammenkunft des DFB-Kaders am Montag in Herzogenaurach für Joshua Kimmich entschieden (mehr dazu lesen Sie hier).
„Es war so, dass ich bei der EM zweiter Kapitän war. İlkay hat jetzt aufgehört, dadurch werden die Rollen neu verteilt, die Karten neu gemischt“, sagte Kimmich nach dem 2:0 mit dem FC Bayern gegen den SC Freiburg am Sonntag. Der 29-Jährige tritt damit in große Fußstapfen.
So geräuschlos wie dieses Mal lief die Amtsübergabe in diesem Jahrtausend aber keinesfalls immer ab. Hier eine Übersicht der DFB-Kapitäne seit 2000.
Der Neustart unter DFB-Teamchef Rudi Völler nach dem frühen EM-K.o. 2000 ist schwieriger als es vielen heute in Erinnerung ist. Die WM-Qualifikation ist ein Zitterspiel. Besonders in der Kritik: Kapitän Oliver Bierhoff. Der Golden Boy vom EM-Triumph 1996 steuert auf das Karriereende zu, ist nicht mehr gesetzt. Ein halbes Jahr vor der WM 2002 stellt er sein Amt zur Verfügung.
„Es ist hilfreich, dass er dem überzogenen und ungerechtfertigten Wirbel um seine Person als Kapitän ein Ende gesetzt hat“, erklärte Völler. Oliver Kahn wird zum Kapitän. Mit dem Torwart-Titan als Anführer geht es für die DFB-Elf in Asien bis ins Finale.
Jürgen Klinsmann wird nach der vermurksten EM 2004 Bundestrainer. Und eine seiner ersten Amtshandlungen ist das Aus für Kahn als Kapitän. „Ich wünsche mir einen Feldspieler, der zu allen Mannschaftsteilen Verbindung hat und in schwierigen Phasen die Zügel in die Hand nimmt“, begründet der große Reformator seine Entscheidung pro Michael Ballack.
Es ist eine Demontage von Kahn in Raten. Kurz vor dem Sommermärchen wird Kahn auch als Nummer eins abgelöst, Jens Lehmann steht 2006 bei der Heim-WM im Tor. Kahn schluckt den großen Frust und bekommt beim Spiel um Platz drei gegen Portugal (3:1) sein Abschiedsspiel – auch noch einmal als Kapitän.
Kevin-Prince Boateng nimmt ungewollt Einfluss auf die DFB-Historie. Mit einem Foul im englischen Pokalfinale verletzt er Ballack. Die WM 2010 findet ohne den Capitano statt. Lahm wird von Bundestrainer Joachim Löw zunächst zum Turnierkapitän befördert. Als Kopf einer jungen, erfolgreichen Mannschaft beeindruckt dieser in Südafrika. Was da noch keiner denkt: Ballack wird nicht in die DFB-Elf zurückkehren.
Eine erneute Verletzung wirft ihn im Herbst 2010 zurück. Löw sieht keine Verwendung mehr für den einstigen Anführer. Nach einem Krisentreffen im März 2011 gehen beide mit unterschiedlichen Auffassungen auseinander. Ballack glaubt weiter an eine Rückkehr. Löw meint, das Gegenteil geäußert zu haben. Der Riss ist nicht mehr zu kitten. Ballack wirft Löw „Scheinheiligkeit“ vor und verzichtet auf ein Abschiedsspiel als Nationalspieler.
Erstmals seit Klinsmann 1998 gelingt einem DFB-Kapitän der Abschied ohne Wirbel und Eklat. Im Gegenteil: Lahm ist nach Walter, Beckenbauer und Lothar Matthäus (1990) der vierte deutsche Spieler, der als Kapitän den WM-Pokal in die Höhe stemmen kann.
In der magischen Nacht von Rio krönt er mit dem 1:0 gegen Argentinien nach Verlängerung seine Karriere und beendet seine DFB-Laufbahn. Später wird der Münchner zum Ehrenspielführer ernannt und organisiert als Turnierchef die Heim-EM 2024. Sein Nachfolger ist schnell gefunden: Kollege Bastian Schweinsteiger.