Als Stimme der Versöhnung in einer zerrissenen Region könnte er zum Symbol eines neuen Pontifikats werden – doch für den Patriarchen von Jerusalem ist der Weg nach Rom alles andere als sicher.
Der 58-jährige Italiener, der lange als Franziskaner in Israel und den palästinensischen Gebieten wirkte, leitet seit 2020 das Lateinische Patriarchat von Jerusalem. In dieser Funktion steht er einer der herausforderndsten Diözesen der Welt vor, in der Christen oft zwischen den Fronten des Nahostkonflikts stehen. Immer wieder hat er sich in den vergangenen Monaten kritisch zu der anhaltenden Gewalt geäußert. So erklärte er mit Blick auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas: „Es gibt keine Exit-Strategie. Es gibt nur eine Logik der Gewalt, die sich selbst weiter speist.“
Pizzaballa warnte davor, dass die Eskalation den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Region weiter zerstöre. „Die Polarisierung ist heute stärker als je zuvor“, sagte er im Gespräch mit „Domradio.de“. Er kritisiert sowohl die Hamas für ihre Angriffe auf Israel als auch die israelische Regierung für die massive militärische Antwort. Gleichzeitig sieht er eine besondere Verantwortung für Christen, Brücken zu bauen: „Wir müssen die Sprache der Hoffnung bewahren, auch wenn sie in diesen Tagen schwer zu finden ist.“
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Neben seiner politischen Sensibilität setzt sich Pizzaballa stark für eine Kirche ein, die nahe an den Menschen bleibt. Dies zeigte sich jüngst bei der Eröffnung eines theologischen Kurses für Laien auf Zypern, wie „Vatican News“ berichtet. Das Projekt soll Gläubigen helfen, ihren Glauben tiefer zu verstehen und sich aktiv in die Kirche einzubringen. „Die Kirche muss ein Ort sein, an dem sich jeder willkommen fühlt – unabhängig von Herkunft oder Status“, betonte der Kardinal bei der Eröffnung.
Auch im Hinblick auf das Heilige Jahr 2025 setzt Pizzaballa ein Zeichen der Ermutigung. Trotz der aktuellen Krisen sei es wichtig, den Blick nach vorne zu richten. „Wir müssen die Hoffnung nicht nur predigen, sondern leben“, sagte er.
Ob Pizzaballa tatsächlich zum nächsten Papst gewählt wird, bleibt offen. Papst Franziskus hat das Kardinalskollegium mit einer Vielzahl von Kardinälen aus bisher wenig repräsentierten Ländern besetzt, was die Wahl unvorhersehbar macht. Dennoch könnte der Patriarch von Jerusalem mit seiner Krisenerfahrung, seinem pastoralen Ansatz und seiner theologischen Offenheit eine Schlüsselrolle spielen. „Seine mögliche Wahl hätte eine besondere politische Bedeutung, insbesondere in der aktuellen geopolitischen Lage des Nahen Ostens. Zudem bringt er mit seinem vergleichsweise jungen Alter – unter 60 Jahren – eine langfristige Perspektive für das Amt mit“, erläuterte der Vatikanexperte Andreas Englisch im Gespräch mit t-online.
Es gibt eine nicht unerhebliche Zahl palästinensischer Christen, die ein großes Interesse daran haben, dass der nächste Papst die Region und ihre Herausforderungen gut kennt.
Andreas Englisch
Die Wahl eines neuen Papstes hänge schließlich nicht nur von der Persönlichkeit des Kandidaten ab, sondern auch von globalen Herausforderungen, mit denen die katholische Kirche konfrontiert ist. „Ein besonders wichtiger Faktor ist der Nahostkonflikt und die Bedeutung des Heiligen Landes. Jerusalem spielt für die katholische Kirche seit jeher eine zentrale Rolle, weshalb ein Kandidat mit Erfahrung in dieser Region als mögliche Wahl gelten könnte“, sagt Englisch, der seit fast 40 Jahren in Rom lebt und als einer der bestinformierten Journalisten im Vatikan gilt.
„Für die Kirche hat das Heilige Land eine besondere Bedeutung, da es stets im Mittelpunkt ihres Interesses stand. Sie wollte dort immer eine konstruktive Rolle einnehmen. Zudem gibt es eine nicht unerhebliche Zahl palästinensischer Christen – etwa zwei Prozent der Bevölkerung –, die ein großes Interesse daran haben, dass der nächste Papst die Region und ihre Herausforderungen gut kennt. In diesem Zusammenhang erscheint die Kandidatur von Pierbattista Pizzaballa als eine denkbare Option“, lautet seine Einschätzung.