In Deutschland läuft die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht auf Hochtouren. Könnte der Bundeskanzler sich bei seinem Besuch in Stockholm etwas von dem Modell der Schweden abgucken?
Für einen kurzen Moment ist Olaf Scholz fast gut gelaunt. Mit einem leichten Grinsen sieht er in die Gesichter der Pressevertreter. „Es ist kein Geheimnis, dass ich mich als Hanseat bei den Nordics ganz wohl fühle“, sagt er. Auch der schwedische Ministerpräsident, Ulf Kristersson, der neben Scholz am anderen Rednerpult steht, grinst jetzt.
Dass man viel voneinander lernen könne, wird während des 24-Stunden-Besuchs von Scholz in Stockholm gleich mehrfach betont. Auch in Sachen Wehrpflicht?
„In Schweden haben wir ein Modell gefunden, was funktioniert“, sagt Kristersson. Das sei auch in der Gesellschaft unter den jungen Leuten gut angesehen, fügt der Ministerpräsident an. Aber ob er das weiterempfehlen würde? Sagt er lieber nicht.
Den Rest räumt Scholz ab: Er spricht von einer „überschaubaren Aufgabe“, die da bewältigt werden müsse. Es gehe eher darum, wie man in Zukunft Männer und Frauen dazu bewegen könne, der Bundeswehr beizutreten. Nach Pflicht? Klingt das erst einmal nicht.
Vorbild Schweden? Debatte über die Dienstpflicht
Dabei läuft die Debatte über eine Wiedereinführung der Dienstpflicht in Deutschland aktuell auf Hochtouren. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine beschäftigen sich Politik und Öffentlichkeit wieder mit der Frage: Wie verteidigungsfähig wäre auch Deutschland im Ernstfall? Die Antwort, Stand jetzt: Geht so. Es fehlt an Ausstattung, finanziellen Mitteln – und eben auch an Soldatinnen und Soldaten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant deshalb bereits seit Längerem ein neues Wehrdienstmodell für Deutschland. Schweden, so wirkt es bei Pistorius, könnte dabei als Beispiel dienen, das Konzept der Skandinavier scheint gut zu funktionieren: In dem skandinavischen Land werden alle gemustert, aber nicht jeder wird auch eingezogen.
Und nicht nur die SPD, sondern auch andere Parteien, etwa die CDU, schielen deshalb mit Interesse auf die europäischen Partner. Oppositionsführer Friedrich Merz reiste im Januar nach Schweden. Auch, um sich dahingehend schlau zu machen. Aus dem Umfeld des CDU-Chefs heißt es, die Dienstpflicht sei bei der Reise Teil mehrerer Gespräche gewesen.
Und was denkt der Kanzler? Kann Scholz sich nach seinem Besuch in Stockholm nun vorstellen, ein ähnliches Wehrpflicht-Modell wie das der Schweden einzuführen – oder nicht?
Welche Optionen liegen in Deutschland aktuell auf dem Tisch?
Bereits im Frühjahr hatte Verteidigungsminister Pistorius sein Ministerium angewiesen, verschiedene Optionen zu erarbeiten. Dass er die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland für einen Fehler hält, erklärte Pistorius zuletzt bei seiner USA-Reise. „Ich bin der Überzeugung, dass Deutschland eine Art der Wehrpflicht benötigt“, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch der Hopkins-Universität in Washington. Entsprechend sind nun drei Vorschläge aus dem Verteidigungsministerium öffentlich gemacht worden.
Erstens: ein freiwilliger Dienst, für den alle Bürgerinnen und Bürger ab dem 18. Lebensjahr Informationen zugesandt bekommen. Je nach Interesse kann dann via Online-Fragebogen ein Termin zum Beratungsgespräch vereinbart werden. Erst danach folgt eine Musterung.
Zweitens: Männer über 18 müssen den Fragebogen ausfüllen und gegebenenfalls zur Musterung. Für Frauen bleibt das Ganze freiwillig.
Und drittens: Sowohl Männer als auch Frauen werden verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Weil man nach diesem Vorschlag allerdings auf einen gesamten Jahrgang zugreifen könnte, wird darauf gesetzt, dass die Zahl der Freiwilligen so hoch ist, dass niemand wirklich in die Pflicht genommen werden muss.
Wie halten es die Schweden mit der Wehrpflicht?
Den Schweden am ähnlichsten ist der dritte Vorschlag. Dort werden seit 2017 alle Schulabgänger gemustert. Die Armee spricht dann anschließend jene an, die für die Truppe geeignet sind, Männer wie Frauen. Bislang konnten so in den vergangenen Jahren immer ausreichend Freiwillige für die Streitkräfte generiert werden.
Sprich: Wenn jemand auf keinen Fall zum Bund will, muss er in der Regel nicht, weil es ohnehin ausreichend Soldatinnen und Soldaten gibt. Aber: Sollten es in einem Jahrgang zu wenige sein, würde tatsächlich die Pflicht gelten. Dann wird je nach Eignung eingezogen.