Autoritär, verliebt in die Macht und risikofreudig. Das Bild von Sahra Wagenknecht bekommt gerade Risse. Sie ist daran wohl nicht ganz unschuldig.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht darf man getrost als eines der spannendsten Projekte der deutschen Parteienlandschaft bezeichnen. Nicht nur, weil hier eine Partei in Windeseile aus der Taufe gehoben und ohne viel Federlesens nach ihrer Initiatorin benannt wurde, sondern weil die Neugründung BSW auch im Eilzugtempo den Sprung in die (Landes-)Parlamente und nun wohl auch an die Macht schaffte.
Doch der neue Stern am bundesdeutschen Parteienhimmel gerät ebenso schnell, wie er aufgestiegen ist, nun ins Zwielicht. „Der Machtkampf ist bereits voll entbrannt“, stellte der Politikwissenschaftler Christian Stecker im „Deutschlandfunk Kultur“ fest. „Das ist bemerkenswert“. Stecker sieht in Thüringen mit Katja Wolf eine pragmatische Landespolitikerin, die sich darum bemüht, mit den möglichen Koalitionspartnern CDU und SPD Kompromisse einzugehen, dabei aber von der Parteispitze, insbesondere Namensgeberin Sahra Wagenknecht, immer stärker ausgebremst wird.
Im Magazin „stern“ erneuerte Wagenknecht nun ihre Kritik an der Thüringer BSW-Führung und zeigte sich skeptisch, „dass am Ende der Koalitionsverhandlungen ein gutes Ergebnis stehen wird“. Eine öffentlich derart harsche Kritik aus der eigenen Partei ist bemerkenswert. Der Machtkampf innerhalb des BSW scheint nicht nur voll entbrannt, er droht zu eskalieren.
Der Kern des Konflikts ist ein zweiseitiges Papier, das CDU, BSW und SPD am Montag in Erfurt präsentierten. Es soll als Präambel für einen möglichen Koalitionsvertrag in Thüringen gelten. Darin sind auch Passagen zum Ukraine-Krieg oder der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland enthalten. Wagenknecht hatte eine solche Einigung vor Eintritt in Koalitionsgespräche zwar gefordert. Schon Stunden nach der Präsentation sprach die Parteichefin aber von einem „Fehler“. Der Wortlaut ging ihr nicht weit genug in Richtung dessen, wofür das BSW – also sie selbst – steht: eine kompromisslose Friedenspolitik.
Die strenge Ausrichtung des BSW auf Wagenknecht sorgt ohnehin für Aufsehen. Manchen Beobachtern scheint es, als habe sich das Bündnis seiner Gründerin komplett unterworfen. Die „taz“ sieht die „dunkle Seite der Macht“, die sich im BSW nun bemerkbar mache, sie fürchtet im BSW schon die Wiedergängerin der SED. Auch das Magazin „Cicero“ spricht von einer „Kaderpartei“, die eindeutig „autoritäre Züge“ trage. Wer da von der Parteilinie ausschere, dem drohe Ärger. Katja Wolf bekommt das in Thüringen gerade zu spüren.
Nicht nur ließ Wagenknecht ihren Schatzmeister Ralph Suikat und die parlamentarische Geschäftsführerin des BSW, Jessica Tatti, jüngst bei t-online einen Gastbeitrag veröffentlichen (Lesen den Artikel hier), in dem Wolfs Kurs heftig kritisiert wurde. Nun legt die BSW-Spitze nach: In einem auf der Homepage der Partei veröffentlichten Beschluss fordert der Bundesvorstand die Thüringer auf, außenpolitische Positionen in Koalitionsverhandlungen zu konkretisieren – oder in die Opposition zu gehen.
„Das ist der erste öffentliche Machtkampf, den man da beobachten kann“, sagt auch der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Technischen Universität Chemnitz zu der innerparteilichen Auseinandersetzung im BSW. Offiziell gehe es um sicherheitspolitische Themen und die Frage: kompromisslose Westbindung und Solidarität mit der Ukraine, wie es CDU und SPD fordern, oder Hinwendung zum sogenannten Friedenskurs, wie ihn der russische Gewaltherrscher Wladimir Putin propagiert?
„Aber die eigentliche Frage ist: Wer hat das Sagen in der Partei?“, so Politikexperte Höhne. Wagenknecht habe offenbar die Eigenwilligkeit von Wolf unterschätzt – obwohl diese sich schon länger abgezeichnet habe. Nun versucht die Parteichefin, die ein Faible für die Theorien des Marxismus und Leninismus pflegt, ihre Kollegin Wolf wieder auf Linie zu bringen. Um die Glaubwürdigkeit gegenüber den Wählern nicht zu verlieren, wie es offiziell heißt. Damit bringt sie sich aber auch in die Zwickmühle.