Die Nachricht hat viele Menschen berührt: Zehn Jahre musste die Jesidin Fawzia A. als Sklavin leben; jetzt wurde sie in Gaza befreit. Vorbereitet wurde das maßgeblich auch von zwei Frauen aus Deutschland.
IS-Terroristen hatten sie als Elfjährige verschleppt. Jahre später wurde Fawzia A. an einen Anhänger der Hamas verkauft, der sie als Sklavin in den Gazastreifen mitnahm: Jetzt ist die junge Jesidin nach zehn Jahren in der Gewalt fremder Menschen wieder frei. An der Rettung der 21-Jährigen beteiligt waren auch zwei Jesidinnen aus Deutschland: Ronai Chaker ist jesidische Aktivistin und Jurastudentin, Zemfira Dlovani ist stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden und Rechtsanwältin aus Koblenz.
Beide haben die Befreiung von Fawzia A. mit angestoßen und vorbereitet. Nach Wochen des Hoffens und Bangens und vielen Gesprächen freuen sie sich über die gelungene Aktion israelischer Stellen. Die Sorge um die junge Frau aber bleibt, wie sie im Interview mit t-online erzählen.
t-online: Wie wird man in Deutschland Helfer bei der Befreiung einer entführten Jesidin in Gaza?
Ronai Chaker: Ich bin als jesidische Aktivistin in sozialen Netzwerken sehr präsent. Am 17. Juli schrieb mich plötzlich auf TikTok Fawzia mit ihrer Geschichte an.
Ja, sie hatte dort Menschen kontaktiert und ein Video hochgeladen, in dem sie um Hilfe bittet. Das hat sie dann gelöscht, um nicht die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich zu ziehen.
Zemfira Dlovani: Sie suchte von sich aus Hilfe und wurde selbst aktiv. Das war ein starkes Signal für mich, dass man mit ihr arbeiten kann, als Ronai Chaker mich kontaktierte, weil ich als Anwältin bereits mit anderen Überlebenden des Genozids gearbeitet habe.
Und jetzt sehen sie sich bestätigt?
Dlovani: Fawzia ist unglaublich stark. Es ist unfassbar, wenn man weiß, was sie als Kind und junge Frau durchleben musste in den letzten zehn Jahren. Ein Hammer, wie sie es mit ihrem Überlebensinstinkt geschafft hat, sich da selbst herauszuholen.
Dazu brauchte es aber noch mehr Menschen.
Dlovani: Beteiligt waren auf unserer Seite auch ihr in Deutschland lebender Bruder und ein Mann im Irak. Zentral war aber der britische Dokumentarfilmer Alan Duncan, der schon bei der Befreiung anderer jesidischer Frauen beteiligt war, etwa bei Naveen.
Naveen* ist eine andere verschleppte Jesidin. Sie wurde von deutschen Islamisten als Sklavin gehalten, denen später in Deutschland der Prozess gemacht wurde. Eine IS-Rückkehrerin wurde in Koblenz unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung und wegen Beihilfe zum Völkermord zu mehr als neun Jahren verurteilt.
Dlovani: Naveen hat dort als Zeugin gegen ihre Peinigerin ausgesagt. Ich vertrete sie in anderer Angelegenheit und wusste, dass Alan Duncan viele Kontakte nach Israel hat. Er hat dann unser Anliegen an entsprechende Stellen weitergetragen.
Wie hilft man von Deutschland aus?
Dlovani: Ich habe zunächst an die Regierung geschrieben, dass ich Fawzia als Anwältin vertrete. Ich hatte auch Kontakt mit der deutschen Botschaft, da wir anfangs nicht wussten, ob eine Rückkehr in den Irak möglich ist.
Und Sie waren die Verbindung zu Fawzia?
Chaker: Ich war täglich mit ihr in Kontakt. Ich habe versucht, sie mental zu unterstützen, da sie sehr verängstigt und unsicher war. Sie sagte mir, dass es ihr bei denen nicht gut gehe.
Wer sind die Menschen, bei denen sie war?
Chaker: Dazu war sie sehr schweigsam. Sie wollte keine genauen Angaben machen. Ich habe sie aber mal gefragt, ob sie die Hamas meint und das hat sie bejaht.
Wollten die israelischen Behörden vielleicht mit den Fragen auch nützliche Hinweise über die Hamas gewinnen?
Dlovani: Nach meinem Eindruck ging es um humanitäre Hilfe für eine Frau, bei der auch egal war, ob sie Jüdin oder Jesidin ist. Die Israelis haben keine solchen Fragen zur Hamas gestellt.