Die Nase tropft, der Kopf pocht, der Darm zwickt – und doch sollen sich Angestellte nach den Plänen des Allianz-Chefs so zur Arbeit schleppen. Hinter dem Vorstoß versteckt sich eine gemeine wie populistische Unterstellung: Wer nur einen Tag fehlt, feiert krank. Dabei verkennt der Wirtschaftslenker offenbar, dass es manchmal reicht, sich einen Tag eine Auszeit zu nehmen. Auch um herauszufinden: Werde ich gerade richtig krank, oder ist es doch ein Unwohlsein oder ein verdorbener Magen?
Wer krank zur Arbeit geht, steckt im schlimmsten Fall das ganze Büro an. Dadurch gewinnt keiner: weder die Mitarbeiter noch die Wirtschaft – und vor allem nicht das eh schon überlastete Gesundheitssystem. Denn die logische Folge wäre, dass Kranke ab Tag 1 des Unwohlseins die Wartezimmer beim Hausarzt verstopfen und sich gleich länger aus dem Verkehr ziehen lassen, als es vielleicht Not tut. Wenn sie denn überhaupt noch von einem Arzt begutachtet werden, denn die Hausarztpraxen laufen heute schon am Limit. Wenn jeder quer liegende Döner, Menstruationsbeschwerden und ein Schnupfen eine Krankschreibung benötigen, läuft das System endgültig heiß.
Laut Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind es auch gar nicht die einzelnen Fehltage, die Deutschlands Gesundheitssystem finanziell belasten, sondern chronische Krankheiten, die zu langen Ausfällen führen. Und zu hohe Behandlungskosten. Will man diese Fälle in den Griff bekommen, muss an der Wurzel angesetzt werden: mehr Prävention, gesünderer Lebensstil. Und Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen und ungesunde Ernährung minimieren. Hier versuchen Krankenkassen, ihre Versicherten durch Anreizsysteme in die richtige Richtung zu bewegen.
Was aber nicht passieren darf: Das Gesundheitssystem, das vielleicht nicht perfekt, aber zu einem der besten in der Welt zählt, auszuhöhlen. Krank sein zu dürfen, ohne finanzielle Einbußen befürchten zu müssen, ist ein hohes Gut, das wir nicht einfach aufgeben sollten.