Zögen jetzt die Energiepreise wieder deutlich an, würde das diese Entwicklung hemmen und auch die zuletzt wieder deutlich positiveren Prognosen für das Wirtschaftswachstum infrage stellen. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnte noch vor dem US-Angriff des Iran in der „Zeit“: „Branchen wie Chemie, Metallverarbeitung oder Glas stünden erneut unter erheblichem Druck, da Energie ein zentraler Produktionsfaktor ist.“ Sollte es so weit kommen, fürchtet sie „weitere Produktionsrückgänge, Standortverlagerungen oder gar Werksschließungen – mit langfristigen Auswirkungen auf die industrielle Basis Deutschlands“.
Das könnte sich dann im nächsten Schritt auf die Verbraucherpreise auswirken. Zuallererst wahrscheinlich an der Tankstelle, warnt der ADAC. Hier wirken sich steigende Ölpreise am schnellsten aus. Sollten Lieferungen längerfristig unterbrochen werden, könnte das dann auch das Heizen teurer machen.
Für Volkswirtschaften in Europa und Asien bedeute ein Ölpreisschock einen stärkeren konjunkturellen Gegenwind als für die USA, die seit einem Jahrzehnt ein Nettoölexporteur sei. „Doch auch in den USA würde die Inflation in diesem Risikoszenario wieder spürbar anziehen“, betonten Winkler und Schattenberg.
Die Auswirkungen eines höheren Ölpreises auf die Weltwirtschaft dürften davon abhängen, wie lange der Rohstoff so teuer bleibt. „Sollten die Preise nur für einige Tage oder auch ein paar Wochen auf dem erhöhten Niveau bleiben und sich der Markt dann beruhigen, wäre die Weltwirtschaft vermutlich ausreichend resilient und würde in der Lage sein, mit dem derzeit moderaten Wachstum fortzufahren“, sagte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia. „Hält der Energiepreisschock jedoch ein halbes Jahr oder länger an, ist mit einer globalen Stagflation oder gar Rezession zu rechnen.“
Eine unmittelbare Gefährdung der Energieversorgung sieht die deutsche Bundesregierung derzeit nicht. Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte in Berlin, man verfolge die Entwicklungen an der Straße von Hormus „sehr genau“. Zugleich betonte er, dass Deutschland weder Gas noch Öl aus dem Iran beziehe.
Der Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte Carlo Masala hält einen erneuten Kurswechsel Trumps in der Nahost-Politik für möglich. Sollte der Iran tatsächlich die Straße von Hormus schließen, wäre auch die Energieversorgung der USA bedroht. In diesem Fall sehe Masala kaum eine Alternative dazu, dass Trump seine bisherige Linie verlässt und erneut den Kurs ändert. Das sagte er dem „Focus“.