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Was hat zur Wahlschlappe der Liberalen geführt? Und welche Konsequenzen sollte die FDP daraus ziehen? Die bisherige Fraktionsvizechefin Gyde Jensen hat klare Vorstellungen für die Zukunft ihrer Partei.

Die FDP hat’s nicht geschafft, zum zweiten Mal binnen zwölf Jahren sind die Liberalen bei der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde gescheitert und damit im neuen Bundestag nicht vertreten. Nach dem ersten Schock beginnt in der Partei nun die Phase der Aufarbeitung: Analysen werden geschrieben, ein neuer Chef soll gewählt werden, der auf Langzeit-Parteiboss Christian Linder folgt.

Ganz geräuschlos läuft all das aber nicht. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es in der Partei einen Richtungsstreit geben könnte – zwischen jenen, die keine rein wirtschaftsliberale FDP wollen und den Wahlkampf für ein schwarz-gelbes Bündnis kritisieren, und denen, die angesichts der schwarz-roten Koalition in spe sagen: Die Nische der FDP liegt jetzt zwischen Union und AfD.

Gyde Jensen gilt als Vertreterin der ersten Gruppe. Die stellvertretende Chefin der FDP Schleswig-Holstein und bisherige Fraktionsvize hat ein Papier der Gruppe „Liberaler Fortschritt“ unterzeichnet, dem sich auch zahlreiche andere Parteipromis des bürgerrechtsliberalen und sozialliberalen Flügels angeschlossen haben, etwa die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Im Interview mit t-online erklärt Jensen, was im Wahlkampf aus ihrer Sicht schieflief – und warum sie für eine Doppelspitze ist.

t-online: Frau Jensen, Sie haben gerade den Schlüssel zu Ihrem Bundestagsbüro abgegeben. Wie fühlt sich das an?

Gyde Jensen: Das ist ein komisches Gefühl. Ich bin traurig, klar, aber irgendwie geplant traurig. Spätestens am späten Wahlabend stand ja fest, dass dieser finale Schritt nun kommt, insofern konnte ich mich darauf einstellen. Zugleich spüre ich in mir auch ein Stück weit die neuen Freiräume, die sich nun auftun.

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Bis zuletzt Vizechefin der Bundestagsfraktion: die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler/imago)

Die Bundestagswahl ist jetzt bald fünf Wochen her, genug Zeit für erste Gedanken und Analysen zum Scheitern. Also: Woran lag’s?

Ich glaube, es hat am stärksten daran gelegen, dass man uns als FDP unsere Überzeugung nicht abgekauft hat – weil wir nicht gut erklärt haben, was aus unseren Überzeugungen eigentlich folgt. Etwa: Warum wir solide Staatsfinanzen und einen Reformgedanken als Grundlage für unsere Politik betrachten. Stattdessen ist bei vielen Menschen hängen geblieben, dass wir dogmatisch an der Schuldenbremse festhalten, ohne dass klar war, warum. Dogmen aber sind schlecht, vor allem im Liberalismus, weil ich mir damit verbiete, in bestimmte Richtungen zu denken. Diese Debattenkultur haben uns viele Leute aber nicht abgenommen.

Sie stellen also die Schuldenbremse infrage?

Nein, ganz und gar nicht. Sie hat zu Recht Verfassungsrang – hatte, muss man nun ja sagen. Ich will sie weder abschaffen noch so lockern, dass sie faktisch nicht mehr gilt. Aber ich hätte mir gewünscht, dass wir genauer beschreiben, was hinter der Idee solider Finanzen steckt – und vor allem: Wie wir trotzdem die marode Infrastruktur sanieren, wie wir Deutschland verteidigungsfähig machen. Wenn uns das nun wieder gelingt, können wir uns in der Wahrnehmung der Bürger von dem vermeintlichen Dogma lösen.

Man könnte auch sagen: Sie wollen nicht mehr, dass die FDP als Dagegen-Partei wahrgenommen wird.

Ich möchte, dass man in uns das sieht, was wir eigentlich sind: eine Partei, die optimistisch in die Zukunft blickt, die in Szenarien denkt und die auch konkrete Kursdiskussionen in der Öffentlichkeit austrägt, damit die Menschen verstehen, warum wir zu welchem Schluss kommen.

Sie haben eine in der Partei viel diskutierte Analyse der Gruppe „Liberaler Fortschritt“ unterschrieben, die beklagt, die FDP habe neben der Wirtschaftspolitik „profilbildende Themen bewusst ausgeklammert“. An was denken Sie da konkret?

Viel zu kurz kam für mich das große Thema Aufstiegsversprechen, das jeden in der Bundesrepublik und auch darüber hinaus betrifft. Auch das Thema Generationengerechtigkeit, also etwa die Rentenpolitik, hätten wir größer machen müssen. Mit Ideen zur Digitalisierung haben wir 2017 und 2021 Wahlen gewonnen, jetzt war auch davon nicht viel zu sehen. Ich will nicht falsch verstanden werden: Angesichts der wirtschaftlichen Lage war in solch einem kurzen polarisierenden Wahlkampf für manches einfach auch kein Platz da. Der Fokus auf die Wirtschaftswende war goldrichtig. Nur heißt Wirtschaftswende eben mehr als nur Steuern und Abgaben senken, sondern auch: eine funktionierende Infrastruktur, gute Betreuungsangebote für Familien, frühkindliche Bildung.

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