Vor dem Brandenburger Tor stehen die Demoteilnehmer kilometerweit: Neben den Bauern machen noch viele andere Menschen hier ihrem Ärger Luft.

Für Werner Mette geht es um alles: Seit 1870 betreibt seine Familie einen Hof im Süden Berlins mit 30 Rindern und 180 Hektar Land für Ackerbau. Nun befürchtet er, dass die fünfte Generation mit seinem Sohn Martin die letzte sein könnte, sollte die Politik nicht einlenken. „Ich glaube, dass dann noch dieses Jahr Schluss ist“, sagt er.

In vielen Bereichen seien die Kosten gestiegen. Er sei noch dabei, die Rechnungen für die Düngerlieferungen aus dem vergangenen Jahr zu zahlen, die nächsten stünden bereits vor der Tür. Wenn jetzt zudem nach und nach die Subventionen für Agrardiesel wegfallen, wie es die Ampelregierung plant, werde es für seine Familie eng.

Deshalb haben er und sein Sohn schon bei den ersten Protesten im Dezember mitgemacht und sind auch diesmal wieder vor Ort. Sie haben zahlreiche Unterstützer, darunter auch viele, die selbst nicht in der Landwirtschaft arbeiten. Sie alle eint: ein großer Unmut über die Politik der Ampelregierung.

Es treibt sie am Montagmorgen, teils schon vor sieben Uhr, bei minus acht Grad zum Brandenburger Tor: Die ersten Demoteilnehmer zünden Feuertonnen an. Thermoskannen mit Kaffee werden herumgereicht, auch Bier, Sekt und Cola stehen bereit. Martins Traktor ist bei der Demonstration ein beliebter Anlaufpunkt. Er bietet seinen Mitdemonstranten selbstgebackenen Kuchen von seiner Mutter und Pralinen an.

Organisator Arfsten: „Ich bin ziemlich geflasht“

Seit Sonntagabend stehen die ersten Traktoren im Berliner Regierungsviertel – und es ist erst der Anfang: Sie läuten eine deutschlandweite Aktionswoche ein. Der Bauernverband und der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) haben zum Abschluss am 15. Januar eine Großdemonstration in Berlin geplant. Laut Polizei sind dazu 10.000 Teilnehmer mit vielen Traktoren angemeldet.

Doch schon an diesem Montag ist die Straße des 17. Juli auf der etwa zwei Kilometer langen Strecke zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule gut gefüllt. In vier Spuren stehen Traktoren, Laster, Lieferfahrzeuge und Pkw – der Polizei zufolge sind es bis zum Nachmittag 700 Fahrzeuge. Viele Fahrer haben Deutschlandflaggen und Protestplakate dabei.

„Ich bin ziemlich geflasht“, sagt Frerk Arfsten über die langen Traktor-Reihen vor dem Brandenburger Tor. Der Landwirt engagiert sich im Branchenverband „Freie Bauern“ und hat die Organisation der Demonstration übernommen.

Er freut sich auch über die Unterstützung aus anderen Branchen. Von Logistikern über Beschäftigte aus dem Tiefbau bis hin zu verschiedensten Handwerkern seien ganz unterschiedliche Berufsgruppen vertreten. Er bemühe sich nach Kräften, den Protest dabei politisch-neutral zu halten und vor allem nicht von rechten Kreisen vereinnahmen zu lassen.

Zu hundert Prozent gelingt das an diesem Berliner Morgen allerdings nicht. Vor Ort sind vereinzelt Autos mit Reichsflaggen und AfD-Fahnen zu sehen. Auch vor drastischen Symbolen schrecken manche Teilnehmer nicht zurück, und so prangt auf einem Traktor mit der Aufschrift „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“ auch ein selbstgebauter Galgen mit einer Puppe daran.

„Wir brauchen eine andere Regierung“

Um die Anliegen der Bauern zu unterstützen, ist auch Krankenschwester Manuela aus dem Raum Cottbus angereist, zusammen mit ihrem Partner Chris und dessen Kollegen Marcel und Gerd aus einem Stahlbetrieb. „Wir brauchen eine andere Regierung“, sagt Chris. Die anderen nicken. Sie stehen um eine Feuertonne und laden Getränkekisten, einen Grill und Proviant aus ihrem Auto aus.

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