Tagelang stritten SPD und Union über den Neuwahltermin, bis am Dienstag eine Einigung präsentiert wurde. Der Ton war rau, es hagelte Vorwürfe, selbst die Bundeswahlleiterin wurde attackiert. Was steckte dahinter?
An diesem Dienstagabend soll im Schloss Bellevue in Berlin das Ende der Bundesregierung besiegelt werden. Um 18.30 Uhr treffen dort nach t-online Informationen der Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, um über den Termin für Neuwahlen zu sprechen.
Tagelang hatten Merz und Mützenich in Rücksprache mit ihren Parteispitzen über einen Zeitplan verhandelt. Der Termin am 15. Januar, den der Bundeskanzler ursprünglich für die Vertrauensfrage angekündigt hatte? War der Union zu spät. Merz‘ Gegenvorschlag, die Vertrauensfrage bereits diese oder nächste Woche zu stellen, wollte Scholz wiederum nicht.
Eine Weile ging das so, hin und her. Jetzt ist man sich einig: Am 23. Februar soll in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt werden.
Zunächst hatten sowohl die SPD als auch die Union über das Wochenende an ihren jeweiligen Standpunkten festgehalten.
Die Genossen bestanden am Wochenende zumindest öffentlich weiter auf dem 15. Januar, vorher sei es einfach nicht machbar. Das Argument: Zu schnelle Neuwahlen brächten organisatorische Probleme mit sich, hieß es in der SPD. Die Bundestagswahl müsse rechtlich und logistisch einwandfrei ablaufen. Die Populisten von AfD bis BSW würden jede Unregelmäßigkeit zum Anlass nehmen, Zweifel zu säen und das Wahlergebnis infrage zu stellen. Am Sonntag widerlegte Scholz die Begründung selbst, als er bei „Caren Miosga“ plötzlich einlenkte und die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten in Aussicht stellte.
Auf der anderen Seite wiederholte man in der Union fast gebetsmühlenartig: Es werde keinen Deal zur Vertrauensfrage geben. Olaf Scholz müsse sie in dieser oder der nächsten Sitzungswoche stellen. Dann könnte am 19. Januar gewählt werden. Alles andere sei eine Verzögerungstaktik, um möglichst lange Wahlkampf zu machen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte Scholz den „Klebe-Kanzler“, das Ganze sei eine politische Insolvenzverschleppung. Sogar die Unabhängigkeit der Bundeswahlleiterin Ruth Brand wurde infrage gestellt, die vor „unabwägbaren Risiken“ übereilter Neuwahlen gewarnt hatte. Ein schwerer Vorwurf.
Am Montag klingen beide Seiten plötzlich sehr konziliant. Innerhalb weniger Stunden gibt es einen Termin für die Neuwahlen und die Vertrauensfrage. Was ist also in der Zwischenzeit passiert?
Begonnen hat die Schlacht um den Wahltermin am vergangenen Donnerstag. Im Kanzleramt treffen sich Merz und Scholz im Büro des Kanzlers. Das Ampelzerwürfnis liegt da keine 12 Stunden zurück. Scholz soll ihm einen guten Grund dafür nennen, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen, so Merz. Der Kanzler weicht aus. Es gehe darum, jetzt eine „geruhsame“ Entscheidung zu treffen. Bloß nichts übereilen. Merz reagiert irritiert. Was soll das heißen, „geruhsam“? Scholz präzisiert, er meine „geordnet“. Auch das ist für Merz kein Argument. Nach gerade mal 25 Minuten gehen die beiden Männer ohne Einigung auseinander.
Einen Tag später steht SPD-Fraktionschef Mützenich vor der Tür von Merz‘ Bundestagsbüro. Er will wissen, ob der Oppositionsführer kurz Zeit habe. Hat er. Die beiden können gut miteinander. Für den kurzen Dienstweg nutzen sie häufiger ein separates Treppenhaus, das den Weg zwischen beiden Büros verkürzt.
In Merz’ Büro bietet Mützenich dem CDU-Chef an, die Vertrauensfrage schon früher zu stellen. Die Rede ist vom 20. Dezember. Der Kanzler werde auf seiner Ungarnreise gleich ein Pressestatement abgeben, in dem er Bereitschaft zu einem früheren Termin signalisieren könne, soll er Merz informiert haben. Der bittet um Bedenkzeit, um die Sache noch einmal mit den eigenen Leuten durchzusprechen. Man rechnet durch – und kommt auf einen Termin Anfang März. Zu spät, findet Merz. Im Fraktionsvorstand am Montag nennt er dann zwei Alternativen, die stattdessen infrage kämen: den 16. und den 23. Februar.