Eine Modifikation von „Hearts of Iron IV“ sollte Strategiespieler für Putins Militärpolitik begeistern. Die Fäden zog eine Organisation mit Kontakten zum russischen Geheimdienst.
Eben noch konnten PC-Spieler weltweit einen digitalen Feldzug durch Afrika antreten – mithilfe einer vermeintlich von Nutzern erstellten Modifikation des millionenfach verkauften Strategiespiels „Hearts of Iron IV“. Offenbar war das nicht allein als Freizeitvergnügen gedacht: Bei der Erweiterung namens „African Dawn“ handelt es sich um Propaganda des Kremls, mitentwickelt und beworben durch eine mutmaßliche Frontorganisation russischer Geheimdienste.
Die Story der Spielerweiterung sieht vor, mit Militärputschen, angeblichen Anti-Terror-Operationen und strategischem Kalkül die afrikanischen Staaten der Sahel-Zone in den Einflussbereich Russlands zu bringen. Professionell produzierte Videoclips bewarben die nutzererstellten Inhalte.
Es dauerte nur wenige Tage, bis der schwedische Spieleentwickler Paradox Interactive reagierte. Mittlerweile ist die Modifikation seines Spiels nicht mehr unter ihrem ursprünglichen Namen bei der Spieleplattform Steam abrufbar. Offenbar wurde sie durch Paradox gesperrt. Laut Angaben der russischen Propagandisten wurden ihnen als Grund dafür „übermäßige Verherrlichung des Völkermords“ genannt.
Weder Paradox Interactive noch das Softwareunternehmen Valve, das hinter der Spieleplattform Steam steht, reagierten auf Anfragen von t-online dazu.
Sicher ist, dass hinter der Modifikation zwei mittlerweile berüchtigte Akteure stehen: erstens der putintreue Videospiel-Streamer Grigory Korolev, der sich „Grisha Putin“ nennt und seit Jahren russische Propaganda verbreitet. Er übertrug bereits Spiele aus dem Hauptquartier der Söldnergruppe Wagner und ist mit seinem Team vermutlich für die technische Umsetzung der neuen Spielerweiterung verantwortlich.
Zweitens war an der Entwicklung die „African Initiative“ mit Sitz in Moskau beteiligt. Die vermeintliche Nachrichtenagentur gilt dem US-Außenministerium als von russischen Geheimdiensten gesteuert, um die Außenpolitik des Kremls in Afrika voranzutreiben. Ihr Geschäftsführer und Chefredakteur, Artem Kureev, ist ein mindestens ehemaliger Offizier der FSB-Auslandsabteilung. Seine Stellvertreterin war bis vor Kurzem Pressesprecherin der Wagner-Gruppe. t-online berichtete zuletzt über Verbindungen zum ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Waldemar Herdt.
Wozu die „Hearts of Iron IV“-Modifikation „African Dawn“ gedacht ist, war bereits vor Veröffentlichung kein Geheimnis: „Russische Cyber-Athleten bedrohen den Westen in Afrika“, hieß es in einem Porträt, dass Kureev persönlich im Februar dem Streamer Grisha Putin widmete – verbunden mit der Ankündigung, dass man ab sofort gemeinsam an der Erweiterung arbeite.
Als die Veröffentlichung im Juli kurz bevorstand, frohlockte die „African Initiative“, mit der Modifikation läute man „das Ende der westlichen Dominanz im Bereich der Gaming-Informationskriege“ ein. Zum Debüt luden „African Initiative“ und „Grisha Putin“ den Kulturattaché der Botschaft von Burkina Faso in Moskau ein. Auf die Sperrung bei Steam reagierten Propagandisten nun ebenfalls: Über alternative Links zur Spieleplattform Steam und eine eigene Homepage ist die Modifikation weiter verfügbar.