Kriege und Krisen gibt es zuhauf, Streit über den richtigen Weg auch. Auf dem G7-Gipfel in Kanada dürfte nun trotzdem an kritischen Fragen vorbeidiskutiert werden. Und zwar nicht aus Versehen.
Hauptsache, nicht so wie vor sieben Jahren, damals, im Juni 2018. Die Bundeskanzlerin hieß noch Angela Merkel. Der US-Präsident war derselbe, Donald Trump. Der Ort des G7-Gipfels auch: Kanada. Nur war das Ergebnis eben eine mittlere Katastrophe.
Dabei schien das Treffen der sieben wichtigsten Industrieländer lange Zeit okay zu laufen, den Umständen entsprechend. Angela Merkel produzierte ein Foto, das um die Welt ging: Die Kanzlerin, mit beiden Händen auf einen Tisch gestützt, wie sie auf den US-Präsidenten einredet, der die Hände bockig vor dem Bauch verschränkt.
Doch als der Gipfel vorbei war, ging dummerweise noch etwas um die Welt: ein Tweet von Donald Trump, mit dem er seine Unterschrift unter der Abschlusserklärung plötzlich wieder zurückzog. All die mühsamen Verhandlungen umsonst, die internationale Gemeinschaft auf offener Bühne zerstritten.
Wenn Bundeskanzler Friedrich Merz die anderen Staats- und Regierungschefs der G7 am Montag und Dienstag in Kanada trifft, soll alles anders werden. Besser natürlich. Dabei sind die Umstände schwieriger geworden.
Der Zollstreit mit den USA, der den Gipfel 2018 platzen ließ, ist nur eines von mehreren Riesenproblemen. Bei der Zukunft der Ukraine und der Nato geht es buchstäblich um Leben und Tod. Und jetzt drängt auch der Nahe Osten noch auf die Agenda. Alle Themen haben das Potenzial für einen Eklat. Doch es gibt einen Plan, genau den zu verhindern.
Den Spatz in der Hand behalten
Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. So lässt sich die Strategie der kanadischen Organisatoren zusammenfassen. Soll heißen: lieber kleine, möglichst konkrete Schritte gehen, als den großen Sprung zu versuchen, bei dem man auf der Nase landet.
Eine zentrale Abschlusserklärung, die Trump aufkündigen oder nicht unterschreiben könnte, soll es diesmal gar nicht erst geben. Statt eines solchen großen Dokuments mit Bekenntnissen zu Dingen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder freiem Handel werden mehrere kleine, spezifische Texte geschrieben: zu Künstlicher Intelligenz, zu Quantentechnologie, zu Waldbränden, zur Migration und zu kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden.
Alles nicht unwichtig, im Gegenteil. Doch an den wirklich strittigen Themen laufen die geplanten Erklärungen damit eben systematisch vorbei. Und das offenkundig vor allem, um Donald Trump nicht zu reizen. Eine präventive Kapitulation vor dem US-Präsidenten?

Die Bundesregierung will das so nicht verstanden wissen. Natürlich sei es generell wünschenswert, auf einem G7-Gipfel auch ein Dokument mit großen Bekenntnissen zu beschließen, heißt es aus Regierungskreisen. Das sei unter US-Präsident Joe Biden auch kein Problem gewesen.
Nur sei man mit Trump jetzt eben „in einem anderen Spiel“. Und in dem bestehe die diplomatische Aufgabe darin, „in dieser Wirklichkeit das Mögliche und das Wünschbare so gut es halt geht in Übereinstimmung zu kriegen“. Um am Ende zumindest den Spatz in der Hand zu haben.
Für viele der großen Themen wird das bedeuten, dass sie eher am Rande stattfinden werden. So soll es eine Arbeitssitzung zur überregionalen Sicherheit geben, wo bislang neben dem Nahen Osten aber etwa auch der Indopazifik Thema sein soll. Dabei macht die jüngste Konfrontation zwischen Israel und dem Iran das Thema Nahost eigentlich noch drängender – aber auch noch komplizierter.