Kanzlerkandidatur

Aufholjagd oder Reinfall: Hat Scholz noch eine Chance?

Aktualisiert am 22.11.2024 – 13:38 UhrLesedauer: 5 Min.

Die Ausgangslage ist schwierig, Kanzler Scholz setzt sich trotzdem zum Ziel, die SPD bei der Neuwahl des Bundestags wieder zur stärksten Kraft zu machen. (Quelle: Hannes P. Albert/dpa/dpa-bilder)

Bis zu 19 Prozentpunkte liegt die SPD drei Monate vor der Neuwahl in Umfragen hinter der Union. Geht da überhaupt noch was für den angeschlagenen Kanzler und Kandidaten Scholz?

Es ist ein klassischer Fehlstart in den Wahlkampf, den die SPD nach dem Ampel-Aus hingelegt hat. Erst nach einer quälend langen Debatte über die Einwechslung von Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat hat die SPD-Führung sich entschieden: Bundeskanzler Olaf Scholz, der die SPD schon 2021 aus einem Umfragetief geholt und zum Wahlsieg geführt hat, soll es noch einmal versuchen.

Diesmal startet er aber stark angeschlagen in die Aufholjagd – als Chef einer gescheiterten Regierung und mit einer Partei im Rücken, die sich in den letzten Tagen alles andere als einig gezeigt hat. Bei seinem ersten Wahlkampfauftritt 14 Stunden nach der Entscheidung in der K-Frage versuchte er mit einem Scherz Optimismus zu verbreiten: Die Wahl finde am Geburtstag von Parteichef Lars Klingbeil und seiner Frau Britta Ernst statt. „Es muss also gut gehen.“

Sie könnte kaum ungünstiger sein. Scholz geht mit dem Ziel in die Neuwahl, die SPD wieder zur stärksten Partei zu machen und Kanzler zu bleiben. In den Umfragen ist er davon aber sehr weit entfernt. Die SPD hängt seit Monaten in einem Tief fest, aktuell bei 14 bis 16 Prozent. Damit liegt sie nur auf Platz 3 hinter Union und AfD. Der Rückstand auf CDU und CSU beträgt 16 bis 19 Prozentpunkte. Auch die persönlichen Werte des Kanzlers lassen Luft nach oben. Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend sind 20 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden und 76 Prozent unzufrieden. Pistorius ist dagegen in der Umfrage der Einzige, mit dem die Mehrheit der Befragten (61 Prozent) zufrieden ist.

Von dem können Amtsinhaber im Wahlkampf oft profitieren, weil sie medial sehr präsent sind, Entscheidungen treffen und sich auf internationalen Bühnen profilieren können. Scholz ist nach dem Ampel-Aus aber Kanzler einer gescheiterten Regierung, die nur noch bedingt handlungsfähig ist, weil sie keine Mehrheit mehr im Parlament hat. Und große internationale Auftritte wird er abgesehen von einem EU-Gipfel am 19. und 20. Januar auch nicht mehr haben.

Was spricht überhaupt für Scholz“ Kandidatur?

Er hat viel Regierungserfahrung. Vor seinen bisher drei Jahren als Bundeskanzler war er unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel sowohl Arbeitsminister als auch Finanzminister. Außerdem hat er sieben Jahre lang Hamburg als Erster Bürgermeister regiert und weiß daher auch sehr genau, wie die Länder ticken. Er steckt vom Ukraine-Krieg, über die Rente bis zur Wirtschaftslage tief in allen Themen und könnte über jedes einzelne lange Referate halten.

Der Sicherheitspolitiker Pistorius hätte sich in vieles erst einarbeiten müssen – bei einem so kurzen Wahlkampf ist das ein Problem, weil das Risiko sehr hoch ist, öffentliche Auftritte zu verstolpern. Außerdem kann Scholz mindestens ein wichtiges Wahlkampfthema der SPD, den „Kurs der Besonnenheit“ im Ukraine-Krieg mit dem Nein zur Lieferung der Taurus-Raketen, möglicherweise glaubwürdiger vertreten als ein Verteidigungsminister, der sich die „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr zum Ziel gesetzt hat.

Scholz ist der Kanzler und als solcher auch der „natürliche“ Kanzlerkandidat der SPD. Er hat sich bereits im Sommer quasi selbst gekürt. „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden“, sagte er im Juli. Die Parteispitze stellte sich früh hinter ihn und bekräftigte diese Haltung nach dem Ampel-Aus und der Neuwahl-Entscheidung.

Für eine Einwechslung von Pistorius hätte Scholz zunächst auf seine Kandidatur verzichten müssen, was gegen seine eigene Überzeugung gewesen wäre. Auch die Parteispitze hätte über ihren Schatten springen und sich korrigieren müssen.

Ist die Debatte über die Kanzlerkandidatur der SPD nun beendet?

Das hoffen Scholz und die Parteiführung. „Jetzt geht es um Geschlossenheit und den gemeinsamen Weg und es geht darum, dass wir uns gemeinsam als SPD aus dieser Situation herauskämpfen“, sagt Parteichef Lars Klingbeil. Garantiert ist das aber nicht. Sollten die Umfragewerte der SPD in den kommenden Wochen weiter sinken, könnte die Debatte vor dem Parteitag am 11. Januar neu aufflammen. Erst dann soll Scholz endgültig zum Kandidaten gekürt werden.

Ja. Es ist der SPD nicht gelungen, die K-Frage im Einvernehmen zu klären. Das ist eine Bürde für den Wahlkampf. Pistorius bleibt außerdem zunächst der deutlich beliebtere Politiker, was Scholz durch den ganzen Wahlkampf begleiten könnte.

Share.
Exit mobile version