Den Ausschussvorsitzenden im Bundestag kommt eine bedeutende Rolle zu. Die AfD wird von diesem Amt derzeit ausgeschlossen. Hält das einer Prüfung des Bundesverfassungsgerichts stand?

Wichtige Entscheidungen werden im Bundestag oft in Ausschüssen vorbereitet, in denen Abgeordnete verschiedener Fraktionen zusammenarbeiten. Dabei spielen die Ausschussvorsitzenden eine zentrale Rolle. Die AfD wird derzeit von diesen Spitzenposten ausgeschlossen – und hat deshalb das Bundesverfassungsgericht angerufen. Jetzt steht das Urteil der Karlsruher Richterinnen und Richter bevor. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die parlamentarische Arbeit im Bundestag haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Bundestagsausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt. In der Regel steht jedem Bundesministerium ein ständiger Ausschuss gegenüber, es können aber auch für einzelne Politikbereiche zusätzliche Ausschüsse hinzukommen. Jeder Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter und einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern. „Die Ausschussvorsitzenden haben eine bedeutende Position“, heißt es auf der Internetseite des Bundestags. „Sie bereiten die Sitzungen vor, berufen sie ein und leiten sie.“

Welche Fraktion welchem Ausschuss vorsitzt, wird eigentlich im Ältestenrat ausgehandelt. Gibt es – wie nach der Bundestagswahl im September 2021 – keine Einigung, wird aus der Stärke der Fraktionen eine Zugriffsreihenfolge berechnet. Nach dieser dürfen sich die Fraktionen im Wechsel Ausschüsse aussuchen. An die AfD waren so der Innen- und der Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gefallen.

Weil es aus den anderen Fraktionen Widerspruch gegen den Vorsitz der AfD gab, musste gewählt werden. Entsprechend gab es am 15. Dezember 2021 in allen drei Ausschüssen geheime Wahlen – und alle drei AfD-Kandidaten verfehlten die erforderliche Mehrheit deutlich. Ein zweiter Anlauf am 12. Januar 2022 endete mit dem gleichen Ergebnis. Derzeit leiten die stellvertretenden Vorsitzenden die betroffenen Ausschüsse.

Die AfD-Fraktion wendet sich in zwei Organstreitverfahren an das Verfassungsgericht. Sie sieht sich in ihren Rechten auf Gleichbehandlung als Fraktion, auf effektive Opposition und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verletzt. Zum einen wehrt sie sich dabei gegen die Nichtwahl ihrer Kandidaten zum Vorsitz der drei entsprechenden Bundestagsausschüsse (Az. 2BvE 10/21).

Zum anderen geht sie gegen die Abwahl des damaligen Rechtsausschuss-Vorsitzenden, Stephan Brandner, im November 2019 vor (Az. 2 BvE 1/20). Nach mehreren Eklats hatten in der letzten Legislaturperiode alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten für dessen Abberufung gestimmt – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags.

Das ist schwer zu sagen. Im Juni 2022 hatte das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag der AfD abgelehnt, mit dem diese ihre drei durchgefallenen Kandidaten gegen den Willen der übrigen Abgeordneten vorläufig als Vorsitzende einsetzen lassen wollte. Die Richterinnen und Richter erklärten allerdings, es sei „nicht von vornherein völlig ausgeschlossen“, dass Rechte der Fraktion verletzt seien. In Eilverfahren geht es vor allem um die Frage, ob dem Kläger bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichts irreversible Nachteile entstehen – der Sachverhalt wird dabei noch nicht vertieft geprüft.

Einen Eilantrag der AfD auf Wiedereinsetzung Brandners als Ausschussvorsitzenden hatten die Richter im Mai 2020 ebenfalls abgelehnt – unter anderem mit der Begründung, dass die AfD ihre Beeinträchtigung durch die Benennung eines anderen Kandidaten selbst verringern könne. Sie verwiesen aber auch auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen. Eine effektive Opposition dürfe nicht auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen sein.

In seinem Beschluss zum AfD-Eilantrag 2022 warf der Karlsruher Senat bereits einen Blick auf die zentralen Fragen des Hauptverfahrens. So werde etwa zu klären sein, ob die Geschäftsordnung des Bundestags eine freie Wahl der Ausschussvorsitze zulasse, ob dadurch Rechte der AfD-Fraktion beeinträchtigt seien und ob das im Hinblick auf den Zweck der Wahl zulässig wäre. Das Gericht könnte also theoretisch feststellen, dass sich aus der Geschäftsordnung nicht die Möglichkeit einer Wahl ergibt, oder – wenn sie nach Einschätzung des Gerichts doch eine Wahl zulässt – dass Rechte der AfD eingeschränkt werden. Dann müsste eventuell auch die Geschäftsordnung selbst geändert werden.

Streit gab es in Karlsruhe auch schon um einen Posten im Bundestagspräsidium – wo die AfD seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 nicht vertreten ist. Die anderen Parteien hatten allen AfD-Kandidatinnen und -Kandidaten für einen der Stellvertreterposten in etlichen Abstimmungen die erforderliche Mehrheit verweigert. Das Bundesverfassungsgericht entschied hier im März 2022, dass das Recht zur gleichberechtigten Berücksichtigung unter dem Vorbehalt der Wahl durch die übrigen Abgeordneten steht. Einen uneingeschränkten Anspruch auf einen Platz im Präsidium gebe es nicht.

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