Sexuelle Übergriffe und ständiges Mobbing

Harte Vorwürfe gegen bedeutendes Forschungsinstitut


13.10.2024 – 12:26 UhrLesedauer: 3 Min.

Symbolbild: Das Ernst-Strüngmann-Institut in Frankfurt ist Mitarbeitenden zufolge „stark von Sexismus und Mobbing geprägt“. (Quelle: Zoonar.com/Kasper Ravlo/imago-images-bilder)

Bisher stand das Institut vor allem wegen Tierversuchen in der Kritik. Jetzt kommen neue Vorwürfe hinzu: Machtmissbrauch, Mobbing und sexuelle Übergriffe.

Das Ernst-Strüngmann-Institut (ESI) in Frankfurt am Main sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Die „Bild“-Zeitung berichtet, dass sich zahlreiche Nachwuchsforscher über ein „furchtbares Umfeld“ beschwert hätten. Im September hätte fast die Hälfte aller Mitarbeiter einen Brandbrief an den Stiftungsrat unterzeichnet, in dem es geheißen habe: „Unser Arbeitsplatz am ESI ist stark von Sexismus und Mobbing geprägt.“ Die Zustände dürften nicht länger ignoriert oder verharmlost werden.

Die Vorwürfe wiegen schwer, zumal sie hausintern lange bekannt gewesen sein sollen. Maßgebliche Teile des Stiftungsrates hätten die Berichte der mutmaßlich betroffenen Frauen allerdings abgebügelt und sich gegen eine Aufarbeitung gesperrt.

Das Ernst-Strüngmann-Institut ist ein unabhängiges Forschungsinstitut unter wissenschaftlicher Leitung der renommierten Max-Planck-Gesellschaft. Im Jahr 2023 erhielt die Max-Planck-Gesellschaft 2,1 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern.

Auch das ansonsten privat finanzierte Ernst-Strüngmann-Institut hat Steuerzahler-Geld bekommen, für den 2018 eröffneten Institutsneubau flossen 30 Millionen Euro vom Land Hessen. Ins Leben gerufen wurde das Institut von den Hexal-Gründern und Biontech-Großaktionären Andreas und Thomas Strüngmann, die beide Milliardäre sind.

Das Institut sieht in seiner Arbeit eigenen Angaben zufolge „Exzellenz, ethische Verantwortung und unermüdlichen Einsatz zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit“ miteinander verknüpft. Doch abseits der Hirnforschung, zu der auch Tierversuche gemacht werden, soll es immer wieder zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Im Einzelnen soll laut „Bild“ eine Führungskraft wiederholt versucht haben, eine Kollegin gegen ihren Willen zu küssen. Der Mann habe im Institut über Jahre die interne Beschwerdestelle geleitet.

Ein zweiter Beschuldigter soll nach einer Feier eine Studentin im Taxi am Oberschenkel und nahe der Brust berührt haben und ihr gesagt haben: „Jetzt, wo ich weiß, wo du wohnst, kann ich dich stalken.“ Bei einer Party soll zudem ein Mitarbeiter eine Frau zu sexuellen Handlungen gedrängt haben. Der Mann habe sich später im Institutsgebäude vor ihr entblößt.

Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Das Ernst-Strüngmann-Institut richtete laut „Bild“ zwischenzeitlich immerhin eine Meldestelle für Mitarbeiter ein. Im Jahr 2023 habe eine Umfrage im Haus ergeben, dass 73 Prozent der Teilnehmer von sexuellen Belästigungen wussten. Allerdings habe sich insbesondere ein Mitglied des Stiftungsrates bemüht, alles unter den Teppich zu kehren.

Der „Bild“ zufolge wurde kein mutmaßlicher Täter entlassen. Lediglich einer habe sich mit dem Institut auf einen Aufhebungsvertrag geeinigt. Der Mann dürfe aber weiter als Berater tätig sein und erhalte eine Abfindung.

Aus dem Institut heißt es laut „Bild“ hingegen, alle Vorwürfe würden „gründlich untersucht, jegliche Form von Belästigung oder sexuellen Übergriffen verurteilt und – sollten etwaige Vorwürfe plausibel sein – rigoros verfolgt“. Es gebe laut einer Sprecherin „keine Veranlassung für weitere Maßnahmen“.

Das dürften nicht alles so sehen. David Poeppel, der 2021 als geschäftsführender Direktor zum Ernst-Strüngmann-Institut kam, verkündete vor einer Woche seinen Abschied. „Ich verlasse das ESI“, schrieb er bei X. „Ich werde die große Gruppe der netten, intelligenten und hart arbeitenden 95 Prozent vermissen. Aber ich bin erleichtert, die Handvoll Leute hinter mir zu lassen, deren Verhalten nicht den Mindeststandards der Moral entspricht.“

In der Verwaltung und unter wichtigen Wissenschaftlern gebe es „ein paar wirklich entsetzliche Leute“. t-online hat das Ernst-Strüngmann-Institut am Sonntag um eine Stellungnahme gebeten.

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