In einem besonderen Pflegeheim in Hamburg leben fast ausschließlich alkoholkranke Menschen. Der Pflegedienstleiter der Einrichtung über Suff und Würde im Alter.

Das Pflegeheim in Öjendorf ist wohl eines der kuriosesten der Stadt: Wer hier lebt, ist in der Regel schwerer Alkoholiker. Damit bietet die Einrichtung denen ein Zuhause, die mit der Sucht im Alter kämpfen. Laut Robert Koch-Institut trinken rund 34 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen im Rentenalter zu viel Alkohol. Ein Problem, wenn diese Menschen Pflege benötigen. Denn in den meisten Häusern wird übermäßiger Alkoholkonsum nicht toleriert.

Die Einrichtung bietet Hilfe für die Trinker – verpflichtend ist dies aber nicht. Vielmehr will das Haus einen sicheren Hafen bieten. Nicht nur die alkoholkranken Bewohner fühlen sich hier wohl, offenbar auch das Personal. Fluktuation ist kein Thema.

Doch wie ist es, dort zu arbeiten? Wie unterscheidet sich diese Einrichtung von anderen Häusern? Diese Fragen beantwortet Andreas Meyer, Pflegedienstleiter der Einrichtung Haus Öjendorf.

t-online: Herr Mayer, wer zu Ihnen in die Einrichtung will, muss erst mal Rollstuhlfahrern ausweichen, die mitten auf dem Weg stehen, sich dort nicht wegbewegen und einen kräftigen Zug aus einer Bierflasche nehmen. Morgens um 11 Uhr.

Andreas Mayer: Das kann sein, ja. Manchmal stehen sie auch mitten auf der Hauptstraße und sorgen dort für Stau. Das ist bei uns so. Dann kommt jemand und schiebt die Person einfach zur Seite.

Bei uns ja. Hier wohnen eben Menschen mit einem massiven Alkoholproblem. Das gibt es in anderen Häusern auch.

Mag sein, doch bei Ihnen dürfen die Bewohner so viel Alkohol trinken, wie sie wollen, und wenn sie dann betrunken sind, ist das halt nicht weiter schlimm.

Ja, das ist unser Konzept. In den meisten Fällen ist der Alkoholkonsum aber auf 150 Euro pro Monat beschränkt. Das ist das Taschengeld, das von den Sozialleistungen übrig bleibt, die fast alle Bewohner hier beziehen.

Andreas Meyer ist Pflegedienstleiter vom Haus Öjendorf. (Quelle: Pflegen & Wohnen)

Den Alkohol bezahlt also der Staat, konkret wir alle?

Den Vorwurf höre ich oft. Unsere Bewohner haben ein Recht auf Ihre Sozialleistungen. Viele haben dafür lange gearbeitet. Was sie mit ihrem Taschengeld machen, ist ihre Sache. Viele lassen sich ihr Taschengeld von uns einteilen, damit es über den Monat reicht.

Dann kann es kompliziert werden. Ohne Alkohol fangen einige Bewohner Streit an oder klauen auch schon mal anderen Geld. Wer in Not ist, wird erfinderisch.

Deshalb haben einige Ihrer Bewohner in den örtlichen Supermärkten auch Hausverbot.

Alle unserer Bewohner sind erwachsen. Wir sind nicht für ihr Verhalten außerhalb des Hauses verantwortlich. Wer im Supermarkt klaut und dort keinen Alkohol mehr bekommt, schädigt sich ja selbst.

Haben die Mitarbeiter eine Notration an Alkohol für Bewohner im Büro, damit dann Ruhe ist?

Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe die nicht.

Das war in anderen Medien großes Thema, dort gibt es auch Bilder von der Notration.

Ich spreche nur für mich, ich habe die nicht.

Wie viel Alkohol muss man konsumieren, um hier einziehen zu dürfen?

Das kann man pauschal nicht sagen. Sie müssen massiv alkoholsüchtig sein und ein auffälliges Sozialverhalten haben. Nur zu viel Alkohol trinken reicht nicht.

Auffälliges Sozialverhalten bedeutet schlechte Stimmung.

Ja, betrunkene Menschen werden schnell aggressiv, beschimpfen sich untereinander, auch uns Mitarbeiter. Das kommt vor.

Pöbeln oder Klauen im Suff ist für sie okay?

Nicht okay, aber normal. Die Grenze liegt bei körperlichen Angriffen. Eine ernst gemeinte Bedrohung geht gar nicht.

Selten, in krassen Fällen muss jemand auch mal ausziehen. Man braucht hier ein dickes Fell. Man darf das nicht so persönlich nehmen. Wir arbeiten das durchaus auch auf. Wenn der Bewohner wieder nüchtern ist, kann ich mit ihm auch mal von Mann zu Mann sprechen. Ob das dann fruchtet, ist eine andere Geschichte. Aber das gilt für Demenzkranke ja auch.

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