Schwarz-Rot will aus den Fehlern der Ampel lernen und Dauerzoff in der Regierung unbedingt vermeiden. Doch schon jetzt zeigen sich erste Risse im Regierungsbündnis.
Wenn Friedrich Merz (CDU) sich am Mittwochvormittag mit seinen Ministerinnen und Ministern im Kanzleramt zur Kabinettssitzung zusammensetzt, dann wird Schwarz-Rot für einen Moment wie eine gut geschmierte Regierungsmaschine wirken: Ein Gesetzentwurf nach dem anderen wird dann abgenickt, verabschiedet und ans Parlament überwiesen.
Kein Wunder: Die Kabinettssitzung ist für gewöhnlich nicht der Ort, wo in der Sache über Vorhaben diskutiert wird, die in der Regierung noch wirklich umstritten sind. Auf der Tagesordnung landet, was „geeint“ ist, wie es im Berliner Politikdeutsch heißt, wo die hohe Kunst des politischen Kompromisses also schon zu Ergebnissen geführt hat.
Das aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sie gibt: die höchst umstrittenen Projekte, über die Union und SPD seit Wochen streiten, auch öffentlich. Und das, obwohl sie sich vorgenommen hatten, das nicht mehr zu tun. Sich nicht mehr so zu zanken wie die Ampelregierung. Denn das hat Schwarz-Rot als eines der größten Probleme ihrer Vorgänger ausgemacht. Ihnen selbst soll das nicht passieren.
Für die ersten Wochen kann man bilanzieren: Sie waren stets bemüht. Aber so ganz klappt es eben nicht mit der Streitlosigkeit. Dafür denken und fühlen Union und SPD in entscheidenden Fragen wohl einfach zu unterschiedlich. Und nicht nur das macht weitere Konflikte wahrscheinlich.
Die Koalition steht noch gar nicht richtig, da geht es schon los mit dem Streit. Ende April – da läuft noch das SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag – prescht der damalige SPD-Generalsekretär und heutige Fraktionschef Matthias Miersch vor. Er droht mit einer gesetzlichen Regelung, sollte der Mindestlohn im nächsten Jahr nicht auf 15 Euro steigen.
Miersch wird die Drohung auch Wochen später mehrfach wiederholen und will damit signalisieren: Der 15-Euro-Mindestlohn ist für die SPD ein Herzensthema und zentrales Wahlkampfversprechen, für das sie notfalls auch kämpfen wird.
Das Problem: Eigentlich ist in Deutschland eine Kommission dafür zuständig, die Höhe des Mindestlohns festzulegen. Die Politik, so die Idee, soll sich heraushalten. Nur hat sie ihn aus Sicht der SPD in den vergangenen Jahren viel zu zögerlich erhöht, gerade in Zeiten steigender Preise. Zwar hat die Kommission im Januar ihre Geschäftsordnung geändert, was zu einer Erhöhung des Mindestlohns von knapp 15 Euro führen könnte. Doch die SPD bleibt skeptisch – und will weiter politisch Druck machen.
In der Union löst das regelmäßig Kopfschmerzen aus. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schließt einen „politischen Mindestlohn“ aus – und hat in der Sache recht: Denn im schwarz-roten Koalitionsvertrag steht nur, dass ein Mindestlohn von 15 Euro „erreichbar“ sei. Von einer politischen Festlegung per Gesetz ist ausdrücklich nicht die Rede.
Die SPD versucht also in gewissem Sinne jetzt nachzuverhandeln, was ihr in den Koalitionsverhandlungen nicht gelungen ist. Für die Stabilität von Schwarz-Rot verheißt das nichts Gutes.
Einen Tag, nachdem Friedrich Merz im zweiten Versuch zum Kanzler gewählt worden ist, stellt sich sein Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor die Presse. Er verkündet, dass Deutschland die Kontrollen an seinen Grenzen ausweiten und dort mehr Migranten zurückweisen will. Die Union feiert die „Asylwende“ – auch wenn europäische Partner wie die Polen auch öffentlich Kritik üben.
In der SPD ist man von der Migrationsoffensive wenig begeistert. Obwohl auch die frühere SPD-Innenministerin Nancy Faeser temporäre Grenzkontrollen durchgesetzt hat, halten viele in der SPD den Zustand für nicht länger tragbar.

Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger ist eine der größten Skeptikerinnnen auf SPD-Seite: Es sei nicht „das schlauste Konzept“, die Grenze mit tausenden Bundespolizisten an festen Punkten zu kontrollieren, so Rehlinger kürzlich. Auch belasteten die Grenzkontrollen den „wirtschaftlich wichtigen Grenzverkehr“ mit den Nachbarländern. Sie hoffe, „schnellstmöglich zu besseren Lösungen“ zu kommen.