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Jeden Tag rollen Zehntausende Güterzüge durch Deutschland. Doch das Geschäft ist verlustreich. Vorstandschefin Sigrid Nikutta erklärt im Interview, wie sie in die schwarzen Zahlen kommen will.

Die Deutsche Bahn steht unter Druck – nicht nur im Fernverkehr. Auch der Güterverkehr bereitet Probleme: Die EU fordert, dass die dafür zuständige DB Cargo bis 2026 profitabel wirtschaftet. Staatliche Beihilfen durch den Eigentümer der Bahn – den Bund – sind nicht mehr erlaubt. Doch das Unternehmen steckt weiterhin tief in den roten Zahlen. 2024 lag der Verlust noch bei 357 Millionen Euro.

Wie Sigrid Nikutta, Vorstandschefin von DB Cargo, das Ruder noch herumreißen will, warum sie trotz aller Probleme an dem Geschäftsmodell festhält – und wie sie mit persönlichen Anfeindungen umgeht, erklärt sie im Interview mit t-online.

t-online: Frau Nikutta, die Zeit für DB Cargo drängt, bis 2026 müssen Sie profitabel sein – so die Vorgabe der EU – schaffen Sie das?

Sigrid Nikutta: Wir arbeiten mit voller Kraft daran. Wir sind mitten im größten Transformationsprogramm der Bahngeschichte. Das Beihilfeverfahren, aus dem diese Vorgabe stammt, läuft ja bereits seit 2018, sodass wir einige Zeit hatten, uns darauf vorzubereiten. Als ich 2020 bei DB Cargo angefangen habe, kamen aber erst Corona und dann der Ukraine-Krieg dazwischen. Doch die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass wir die Weichen richtig gestellt haben.

Woran machen Sie das fest?

Unsere Effizienzmaßnahmen wirken. Dort, wo wir unabhängig von externen Einflüssen sind, sind wir aktuell sogar schon kostendeckend.

2024 erzielte DB Cargo einen Verlust von 357 Millionen Euro. Das waren bereits 140 Millionen weniger als im Vorjahr, aber immer noch eine stattliche Summe. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

Wir peilen dieses Jahr nur noch einen zweistelligen Millionenverlust an. Da sind wir auf einem guten Weg. Im Mai haben wir beim EBIT [Gewinn vor Zinsen und Steuern, Anm. d. Red.] schwarze Zahlen geschrieben. Das war ein richtiger Tschakka-Moment für das gesamte Team.

Wie haben Sie das geschafft?

Zunächst einmal haben wir unsere unternehmerischen Hausaufgaben erledigt. Etwa haben wir die Kosten bei Mieten reduziert, die Verwaltung verkleinert und die IT modernisiert. Wir arbeiten alle flexibler und haben unser Gesamtunternehmen in sechs Geschäftseinheiten geteilt. Jede Einheit arbeitet wie ein Unternehmen mit mittelständischer Struktur. Die Einheiten können nun eigenständig planen. Dort herrscht mittlerweile ein ganz neuer Esprit.

DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta
Sigrid Nikutta (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)

Sigrid Nikutta (geboren 1969) ist seit Januar 2020 Vorständin des Güterverkehrs der Deutschen Bahn und Vorstandsvorsitzende der DB Cargo. Zuvor leitete sie als erste Frau die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und führte sie in die schwarzen Zahlen. Die promovierte Psychologin gilt als Expertin für Verkehrspolitik und Logistik. Sie begann ihre Karriere 1996 bei der Deutschen Bahn, unter anderem als Personalleiterin bei DB Cargo.

Zur Wahrheit gehört: Auch Personal haben Sie eingespart.

Ja, wir haben angekündigt, 5.000 von 18.500 Stellen bis 2029 bundesweit zu streichen. Aktuell sind wir bei 15.500. Das läuft nach Plan und mir ist vor allem wichtig: sozialverträglich. Ein Thema bereitet uns aber weiterhin große Sorgen: der Einzelwagenverkehr.

Also Fahrten von Zügen mit nur einem oder sehr wenigen Waggons, die Güter individualisiert transportieren.

Genau – wir holen bei unseren Kunden in ganz Deutschland einzelne Wagen oder Wagengruppen ab und bilden dann in Rangierbahnhöfen ganze Züge daraus. Die fahren wir durch ganz Europa und am Ende wird wieder geteilt und einzelne Wagen ausgeliefert. Das ist kostenintensiv – aber wichtig für Industrie und Umwelt. Das zentrale Problem ist: 80 Prozent unserer Verluste kommen aus dem Einzelwagenverkehr. Der Rest verteilte sich auf die anderen Geschäftsbereiche.

Das ist ein beträchtlicher Anteil. Also wäre der leichteste Hebel für Ihre Bilanz, wenn Sie den Einzelwagenverkehr einstellen.

Ja, aber das wäre eine industriepolitische Katastrophe. Der Einzelwagenverkehr ersetzt täglich 40.000 Lkw-Fahrten. Und die DB Cargo hat hier einen Marktanteil von 90 Prozent, andere Unternehmen machen dieses Verlustgeschäft nicht.

Es gibt hier aktuell keinen funktionierenden Wettbewerb. Am restlichen Güterverkehr hat die DB Cargo einen Marktanteil von etwa 40 Prozent. Beim Einzelwagenverkehr sind es gut 90 Prozent. Das zeigt schon, dass das Interesse daran gering ist und es keinen Gewinn bringt. Deshalb hat der Bund 2024 erstmals, wie auch in anderen Ländern Europas üblich, ein Förderprogramm aufgelegt.

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