Empörung über Urteil: „Blanker Hohn“

Gericht schützt Vergewaltiger – jetzt reagiert die Anklage


06.01.2025 – 17:11 UhrLesedauer: 3 Min.

Ein Feuerwehrmann im Einsatz (Symbolbild): Der Täter ist hauptberuflich bei der Feuerwehr und sollte laut Urteil seinen Beamtenstatus nicht verlieren. (Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-bilder)

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Ein erstaunlich mildes Urteil führt deutschlandweit zu Entrüstung. Ein Gericht räumte offen ein, den Täter besonders zu behandeln – weil er Feuerwehrmann ist.

„Blanker Hohn“, „unerträglich“, ein Beleg für „Rape Culture“ in Deutschland: Ein in München gesprochenes Urteil gegen einen Vergewaltiger hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der Verurteilte ist in erster Instanz mit elf Monaten Haft auf Bewährung davongekommen. Die Richterin hatte die Milde mit dem Beamtenstatus des Mannes begründet.

Auch dass die Staatsanwaltschaft mittlerweile bekannt gegeben hat, in Berufung gehen zu wollen, hat die Wogen nicht geglättet. Große Empörung ruft insbesondere hervor, wie unterschiedlich die Interessen von Täter und Opfer durch das Gericht bewertet wurden. Denn eines war der Richterin vollkommen klar, als sie zwischen Weihnachten und Silvester am Amtsgericht in München ihr Urteil verkündete: Die Tat habe für das Opfer, eine junge Frau Anfang 30, alles verändert. „Sie wird für den Rest ihres Lebens nicht mehr dieselbe sein wie vor dem Vorfall“, erklärte die Richterin. Der Angriff auf Juliane W. (Name geändert) sei für die 31-Jährige „sehr einschneidend gewesen“.

Anderthalb Jahre lang war W. nach der Tat in Therapie. Sie litt unter Schlafstörungen, entwickelte eine posttraumatische Belastungsstörung und ekelte sich vor Männerparfüms. Wollten Freunde oder Bekannte sie umarmen, wich sie aus. Auf der Arbeit kam es zu Problemen wegen ihrer Therapietermine.

Das alles war Amtsrichterin Regina Partin sowie zwei männlichen Schöffen bewusst. Trotzdem entschieden sie sich, vor allem dem Angeklagten Verständnis entgegenzubringen. Denn: Der 28-Jährige ist Feuerwehrmann. Er ist hauptberuflich im Münchner Umland tätig, außerdem noch in der Führungsebene einer Freiwilligen Feuerwehr aktiv.

Fassungslos soll das Publikum Ende Dezember laut Berichten reagiert haben, als die Richterin erklärte, deshalb „nur eine sehr milde Ahndung“ der Vergewaltigung vornehmen zu wollen. Elf Monate auf Bewährung, 80 Stunden gemeinnützige Arbeit und fünf verordnete Therapiestunden müssten genügen, argumentierte die Richterin, um den Täter nicht einer allzu großen Härte auszusetzen. Denn bei einer Strafe von zwölf Monaten oder mehr hätte der Angeklagte nach deutschem Beamtenrecht seinen Beamtenstatus verloren.

Außerdem sei der Feuerwehrmann zum Tatzeitpunkt mit damals 25 Jahren ja auch noch sehr jung gewesen, begründete die Richterin ihr Urteil weiter. Es habe sich bei der Vergewaltigung einfach um eine „unreife Reaktion“ gehandelt. Kurz vorher hatte sich der Täter von seiner Frau getrennt.

Der Vergewaltiger und Juliane W. waren einmal gut befreundet. Im Februar 2022 hatten sie sich mit anderen Freunden getroffen. Der Beschuldigte trank große Mengen Alkohol: mehrere Bier, vier bis fünf doppelte Ramazzotti und abschließend auch noch Rum. Weil es ihm psychisch schlecht ging, nahm W. ihn nach der Feier mit zu sich auf einen Absacker.

In ihrer Wohnung klagte der Mann weiter über sein Leid und versuchte an einem Punkt, W. zu küssen. „Das verstehst du jetzt falsch“, habe sie ihm klar erklärt, sagte sie vor Gericht. Daraufhin habe er sich entschuldigt und sei von ihr abgerückt. Dann sei sie irgendwann auf der Couch eingeschlafen – und erst wieder aufgewacht, als sie spürte, wie sich etwas in ihrem Intimbereich bewegte.

Laut Urteil drang der Täter mehrere Sekunden in den Körper von W. ein. Rock, Strumpfhose und Slip hatte er ihr zuvor heruntergezogen. Ein Gutachten bescheinigte dem Mann, der seinen eigenen Unterleib ebenfalls entblößt hatte, „ein zielgerichtetes Vorgehen“.

Seit dem Urteil haben sich zahlreiche Menschen in Deutschland über die sozialen Medien zu Wort gemeldet. Der Tenor: Institutionen würden Täter schützen, Gewalt werde als „kleines Vergehen“ abgetan, vor Gericht würden nicht alle Menschen gleich behandelt. Auch eine ehemalige Richterin und Staatsanwältin kommentierte den Fall mit scharfen Worten. Britta Zur, die bis 2022 Polizeipräsidentin von Gelsenkirchen war und aktuell im Vorstand der DB Sicherheit GmbH sitzt, schrieb in einem Linkedin-Beitrag, ihr würden sich die Haare sträuben. In Zeiten Gisèle Pelicots klinge die Urteilsbegründung „wie blanker Hohn“. Weiter formulierte sie: „So viele engagieren sich, um die Situation für Mädchen und Frauen überall auf der Welt besser zu machen, um Missstände aufzuzeigen, um körperliche Gewalt und sexuellen Missbrauch zu verhindern – und ausgerechnet die Justiz zieht nicht mit?!“

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