Nach der Europawahl sieht Friedrich Merz sich in seinem Kurs als Parteichef bestätigt. Für die K-Frage im Herbst sollte ihm das Rückenwind geben. Aber reicht es auch, damit alles glatt läuft? Im Hintergrund rumort es schon wieder.
Friedrich Merz legt die Stirn in Falten, seine Augen kneift er ein Stück weit zusammen. Es sieht aus, als überlege der CDU-Chef noch kurz, ob er wirklich sagen will, was ihm gerade durch den Kopf geht. Dann tut er es doch: „Wir haben ein Wahlergebnis erzielt, was für mich auch wirklich die Untergrenze war“, erklärt Merz. Die Partei dürfe sich jetzt nicht zurücklehnen. Insbesondere im Osten sei das Ergebnis nicht zufriedenstellend.
Es ist Montagmittag nach der Europawahl. Und Merz klingt plötzlich sehr reflektiert.
Klar, er unterstreicht nach wie vor den eigenen Wahlsieg. Spricht immer noch von einem „Desaster“ für die Ampel. Und übt deutliche Kritik am Kanzler. Aber: Er hinterfragt auch, warum vor allem die AfD von der Unzufriedenheit mit SPD, Grünen und FDP profitiert. Am Vorabend hat Merz noch ganz anders geklungen. Da sprach er von einem „großen Erfolg“. So ganz zufrieden scheint er doch nicht zu sein.
Eigentlich läuft es im Moment gut für Merz. Der CDU-Chef ist innerhalb der Partei gefestigt, die Stimmen seiner Kritiker sind leiser geworden – und in der Frage, wer Kanzlerkandidat der Union wird, scheint derzeit alles auf den Sauerländer hinauszulaufen. Im Europawahlkampf hat Merz kaum bis keine Fehler gemacht. Der unkontrollierte Hardliner, vor dem alle gewarnt haben? Er blieb zuletzt aus.
Andersrum ist Olaf Scholz mittlerweile offenbar zu einer solchen Belastung für die SPD geworden, dass Merz erstmals Chancen haben könnte, sich in einer Wahl gegen ihn durchzusetzen. Woran lange gezweifelt wurde – auch in der Union.
Der Wahlsieg am Sonntag sollte nun noch einmal Rückenwind geben, Merz weiter festigen. Aber die Lage ist anders. Im Hintergrund rumort es schon wieder. Nicht nur in der Partei, sondern auch in Teilen der Parteispitze herrscht Nervosität. Denn in Wahrheit haben die Reaktionen auf das Wahlergebnis gezeigt, wie volatil die Situation noch ist. Merz muss sich in Sachen K-Frage nicht nur Gedanken um das „ob“, sondern auch um das „wie“ machen. Bisher scheint es dafür keinen wirklichen Fahrplan zu geben. Und genau das könnte noch richtig gefährlich werden.
Wer wissen will, wie angespannt die Lage in der Union derzeit ist, der kann einfach mal nach dem Europawahl-Befund fragen. Nach den klassischen „Ein gutes Ergebnis“ und „Darauf können wir aufbauen“-Floskeln, dauert es nicht lang, bis durchklingt, dass viele sich eigentlich mehr erhofft hatten. In der Bundesvorstandssitzung der CDU am Montag wagt sich einer vor: Johannes Steiniger kritisiert, der Wahlkampf hätte besser laufen müssen. Die Kampagne sei flach gewesen. So berichten Teilnehmer es t-online. Auch aus CSU-Kreisen lässt die Kritik nicht lang auf sich warten. Es habe bei keiner Partei ein wirkliches Thema gegeben, heißt es dort. Auch bei den eigenen nicht. Die Bundestagswahl müsse besser laufen.
Bereits am Sonntagabend droht die Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus für einen Moment zu kippen. Als die Zahlen auf der Leinwand zu sehen sind, herrscht Stille im Raum. Auch, weil zunächst nur das CDU-Ergebnis gezeigt wird, was bei 23,5 Prozent liegt. Erst als die Prozentzahlen der CSU (6 Prozent) hinzukommen, ertönt Applaus. Für CDU-Verhältnisse bleibt er verhalten.

Hört man anschließend in die Reihen der Partei hinein, hält die Begeisterung sich in Grenzen. Angespannt wartet man darauf, dass die Union in den aktualisierten Ergebnissen noch die 30 Prozent knackt. Es ist die magische Grenze. Immer wieder sieht Generalsekretär Carsten Linnemann nervös auf sein Handy. Viele andere tun es ihm gleich. Am Ende ist es eine Punktlandung. 30,0 Prozent – für Merz war das wichtig. Schließlich war es das Mindestmaß.