Der „Gender Health Gap“ ist noch immer Realität: Frauen sind medizinisch benachteiligt. Das zeigt sich vor allem am Beispiel der chronischen Herzinsuffizienz.
In Deutschland gibt es noch immer zahlreiche Lücken in der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen – eine davon betrifft die medizinische Versorgung. Diese Lücke, die auch als „Gender Health Gap“ bezeichnet wird, ist zwar weniger bekannt und wird weniger häufig diskutiert als etwa der „Gender Pay Gap“ (die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern). Sie ist aber mindestens genauso bedeutsam.
Denn zu selten wird berücksichtigt, dass Krankheiten bei Frauen oft anders als bei Männern verlaufen und Medikamente bei ihnen aufgrund von Körpergröße, Gewicht und Hormonen anders wirken können. Manche Krankheitssymptome können sich sogar so sehr unterscheiden, dass Fehldiagnosen gestellt oder Erkrankungen gar übersehen werden.
Besonders ist dies im Bereich der Herzgesundheit spürbar. Obwohl Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache bei Frauen darstellen, werden sie oft nicht ausreichend diagnostiziert und behandelt. Darauf verweist die Deutsche Herzstiftung. Doch woran liegt das?
Frauenherzen ticken anders – und sind anfälliger
Frauenherzen sind im Durchschnitt etwas kleiner und steifer als Männerherzen und sie schlagen schneller. Das bedeutet: Sie müssen öfter pumpen, um den Körper mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Es gibt nicht nur anatomische Unterschiede: Auch die weiblichen Hormone beeinflussen die Herzgesundheit.
Das Hormon Östrogen schützt Frauenherzen bis zu den Wechseljahren. Mit der Menopause aber sinkt der Östrogenspiegel und das Herz verliert zunehmend an Elastizität. Dadurch steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ein besonders drastisches Beispiel ist die Herzschwäche. In Deutschland leiden daran laut der Deutschen Herzstiftung rund 2,5 Millionen Menschen – ein großer Teil davon sind Frauen. Besonders bei Älteren wird die Erkrankung oft nicht rechtzeitig erkannt. Denn eine Herzschwäche bei Frauen äußert sich in eher untypischen Symptomen: Bei vielen Betroffenen treten Beschwerden im Bauchbereich auf, begleitet von Übelkeit oder Erbrechen. Auch Abgeschlagenheit und Wassereinlagerungen können Warnsignale sein.
Herzinsuffizienz tritt auf, wenn der Herzmuskel nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen. Mehr dazu hier.
„Frauen sollten – ebenso wie Männer – bei Symptomen wie Atemnot, Müdigkeit und einer Unfähigkeit, sich zu belasten, unbedingt zur Kardiologin oder zum Kardiologen und einen Ultraschall des Herzens vornehmen lassen“, rät Prof. Vera Regitz-Zagrosek vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung.
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Problematisch sind jedoch nicht nur die unklaren Anzeichen der Herzerkrankung, sondern auch deren Diagnose und Behandlung. Frauen mit Herzproblemen gehen laut Herzstiftung tendenziell später zum Arzt als Männer und neigen dazu, Symptome zu verdrängen oder als weniger schwerwiegend einzustufen. Gleichzeitig werde ihnen in vielen Fällen weniger medizinische Aufmerksamkeit geschenkt, da sie seltener als „klassische“ Herzpatienten wahrgenommen würden. Eine spätere Diagnose behindere wiederum die rechtzeitige Behandlung.
Studien belegen zudem, dass Frauen mit Herzschwäche seltener invasiv behandelt werden, beispielsweise durch Herzkatheter oder Bypass-Operationen, und viel häufiger Medikamente anstelle einer operativen Therapie erhalten.
Ein zentraler Grund für die schlechtere Versorgung von Frauenherzen und letztlich den „Gender Health Gap“: Frauen sind in vielen Bereichen der medizinischen Forschung immer noch unterrepräsentiert. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurden Studien zu Herzkrankheiten fast ausschließlich an Männern durchgeführt. Das führte dazu, dass Symptome, Diagnostik und Behandlungsansätze stark auf Männer ausgerichtet wurden. Die standardisierten Medikamente etwa wirken bei Frauen häufig weniger gut, die Dosierungen sind vielfach nicht optimal auf sie abgestimmt, wodurch bei ihnen häufiger Nebenwirkungen auftreten können als bei Männern.
Erst seit 1994 existiert eine US-Richtlinie, die verlangt, dass Medikamente in klinischen Studien auch an Probandinnen getestet werden müssen. In der EU ist die Teilnahme von Frauen in klinischen Studien seit 2005 vorgeschrieben. Dennoch: Nur etwa ein Drittel der Probanden ist weiblich – selbst Versuchstiere sind überwiegend männlich.
Um diese Versorgungslücke zu schließen, sind tiefgreifende Veränderungen notwendig. Dazu zählt vor allem mehr geschlechtsspezifische Forschung. Aber auch Patientinnen selbst sollten besser über mögliche Symptome und Vorsorgeuntersuchungen aufgeklärt werden.
Die Deutsche Herzstiftung rät Frauen (wie Männern) zur Vorsorgeuntersuchung ab 40 Jahren – bei familiärer Vorbelastung früher – um regelmäßig Blutdruck, Blutzucker, Blutfette (Cholesterin) und Körpergewicht zu kontrollieren. Das kann der regelmäßige Gesundheits-Check-up beim Hausarzt sein. „Dadurch lassen sich unerkannte Risikokrankheiten für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzschwäche aufdecken“, so Prof. Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung.
Natürlich spielt auch die Prävention eine entscheidende Rolle – für beide Geschlechter: Gesunde Ernährung, Verzicht auf Alkohol und Zigaretten sowie regelmäßige Bewegung können Herzerkrankungen vorbeugen.