Mitfavorit Frankreich ist mit einem mühevollen Arbeitssieg gegen Österreich in die EM gestartet. Ein kurioses Eigentor bringt die Entscheidung.
Das Trikot blutverschmiert, der Schock in den Augen – Frankreich hat Ralf Rangnicks tapfere Österreicher niedergerungen, bangt aber um Kylian Mbappé. Der Superstar musste beim 1:0 (1:0) zum EM-Auftakt nach einem heftigen Zusammenprall ausgewechselt werden, er hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die lädierte Nase. Das siegbringende Eigentor des Gladbacher Unglücksraben Maximilian Wöber (38. Minute) hatte Mbappé selbst mit einem seiner fulminanten Antritte erzwungen.
Zuvor war bereits sein Teamkollege Antoine Griezmann in die Bande gekracht und hatte sich dabei eine Platzwunde am Kopf zugezogen. Griezmann konnte aber mit einem Verband weiterspielen.
Mindestens eines der weiteren Gruppenspiele gegen Polen am Freitag und die Niederlande (25. Juni) wird Österreich somit gewinnen müssen, sonst wäre der Traum vom Achtelfinale geplatzt. Frankreich kann inmitten der politischen Debatte um den Rechtsruck in der Heimat zumindest sportlich etwas durchatmen, der Sprung in die K.o.-Runde ist nahe. Die Sorge um Mbappé dürfte die nächsten Tage überlagern.
Die Österreicher stiegen mit Bierdose und Lederhose in die U78 zum Stadion, den Fußweg von der Altstadt aus wählte eine Gruppe Franzosen in Napoleon-Verkleidung – die Stimmung am Rheinufer war prächtig. Nicht so richtig allerdings beim verletzten David Alaba, den Ralf Rangnick als inaktiven Kapitän mit ins EM-Trainerteam nahm. „Es tut weh. Aber vielleicht kann ich mit meiner Präsenz helfen“, sagte der frühere Bayern-Profi der ARD vor dem Anpfiff.
Bei den Franzosen wurde vorab viel geredet, allerdings selten über Fußball. Die Aufrufe aus der Mannschaft, sich bei den Parlaments-Neuwahlen den Extremen entgegenzustellen, gewannen täglich an Dramatik. „Es ist ein entscheidender Moment in der Geschichte unseres Landes“, hatte Mbappé betont, er warnte vor „allen Ideen, die spalten“ – ohne die rechtspopulistische Partei Rassemblement National beim Namen zu nennen.
Ob das eine Ablenkung ist? Minuten vor dem Anpfiff gab Mbappé den Einlaufkindern ganz lässig Autogramme. Das Spiel beendete er aber nicht mehr auf dem Platz. In der 86. Minute stieß er aber mit dem Österreicher Kevin Danso zusammen, wurde minutenlang behandelt, ehe er für Olivier Giroud vom Rasen ging.
Den teuersten Spieler der Welt aufzuhalten, war nicht Rangnicks einzige, gleichwohl aber seine wichtigste Aufgabe. Die beiden kennen sich gut: Als Sportdirektor von RB Leipzig hätte der deutsche Trainer den heute so begehrten Stürmer 2015 beinahe mal verpflichtet. Auf Mbappés halblinker Lieblingsposition stellte ihm Rangnick nun Stefan Posch auf die Füße, Bayern-Profi Konrad Laimer half gegebenenfalls aus. Dennoch ging die erste Großchance des Spiels auf Mbappés Konto (8.).
Österreich, eine Art Team Deutschland II mit acht Bundesliga-Spielern, wollte Frankreich nicht ins Zaubern kommen lassen. Gelegentliche Pressingphasen erwiesen sich anfangs als gutes Mittel, allerdings gab es auf den defensiven Außenseiten Probleme – Ousmane Dembélé hatte nach einer halben Stunde bereits zwei Gelbe Karten für seine Gegenspieler erzwungen.
Österreich schloss die Lücken fortan, nahm Frankreich das Tempo und hätte selbst treffen müssen: BVB-Profi Marcel Sabitzer ließ für Christoph Baumgartner abtropfen, der Leipziger scheiterte frei stehend an Torhüter Mike Maignan (36.). Das rächte sich, als Mbappé (diesmal rechts) startete: Seine Hereingabe köpfte Wöber ins eigene Tor.
Frankreich blieb dann – und fast nur dann – brandgefährlich, wenn Umschaltsituationen entstanden, Mbappés Schnelligkeit war dabei geradezu eine Wunderwaffe. Darüber, dass er nach einem 50-Meter-Sprint nicht das Tor traf, lachte der neue Topstar von Real Madrid selbst (55.). Österreich mühte sich ab, rüttelte den Gegner aber zu selten aus dem Komfort des Systems.