Ein virales TikTok-Video bringt plötzlich Massen von Kunden in ein bisher leer gefegtes Restaurant. Doch nicht alle bejubeln den unerwarteten Erfolg.
Ein Wirt läuft mit einem Kellnertablett auf die leere Terrasse seiner Gaststätte. Dort nimmt er gemeinsam mit seiner Tochter Platz und trinkt etwas. Die Kamera seiner Tochter ist auf ihn und sein trauriges Gesicht gerichtet. „Pov: dein Vater ist traurig, weil sein Restaurant kaum Kundschaft hat, obwohl er sein ganzes Herz da reinsteckt“, steht auf dem TikTok-Video, das die Tochter hochlädt. Es dauert nicht lange, bis das Video durch die Decke geht.
In nur wenigen Tagen erreicht der Clip über sieben Millionen Aufrufe und fast 800.000 Likes. Ort des Geschehens ist das „Niddafeld Schnitzelhaus“ in Bad Vilbel, unweit von Frankfurt. Ein Restaurant mit 16 verschiedenen Schnitzelvarianten laut Homepage und einem bis vor wenigen Tagen noch leerem Gastraum.
Was früher einmal nur mit Plakatwerbung und Google-Rezensionen funktionierte, übernimmt in diesem Fall der Algorithmus – gepaart mit einer emotionalisierten Geschichte und tragischer Musik. Mehr als 13.000 TikTok-Nutzer kommentierten das Video. Manche von ihnen schreiben, dass sie kommen würden. Manche von ihnen kommen sogar, einige unter ihnen Influencer mit einer großen Reichweite.
Am vergangenen Montag standen zwei Frankfurter TikTok-Größen in dem Laden: „Lebenwiekevin“ und Daniel Slump, gemeinsam über eine halbe Million Follower stark. Sie filmen sich beim Schnitzelessen. Begleitet werden sie von Fans und Unterstützern im dreistelligen Bereich.
Auch Youtuber Bernd Zehner stattet dem Lokal einen Besuch ab. Über 400.000 Menschen folgen seinen kulinarischen Touren. Er bestellt für sein Video die gesamte Bandbreite an Schnitzeln. „Schmeckt wie bei Mutti“, sagt er. Das Curry-Schnitzel nennt er „geil und unvergleichlich“ – und prognostiziert, dass manche allein deswegen anreisen werden. Fast nebensächlich erzählt der Gastwirt in Zehners Video, dass das Restaurant erst seit Mai 2024 betrieben wird und eine große Baustelle davor die Kundschaft lange Zeit ferngehalten hat.
So positiv das Feedback der Influencer ausfällt und so voll der Laden durch das virale Video geworden ist – auch Kritiker tun ihre Meinung in den Kommentaren kund. So kommentieren einige etwa, dass durch das Video versucht werde, die Menschen durch Mitleid zu einem Besuch zu manipulieren. Manche sprechen gar von einer Betrugsmasche.
Betrugsmasche oder nicht – von ausbleibenden Besuchern ist nicht nur das „Niddafeld Schnitzelhaus“ betroffen. Laut einer Studie der Wirtschaftsauskunft Creditreform aus dem vergangenen Jahr haben seit 2020 bundesweit etwa 48.000 Gastronomiebetriebe geschlossen. Allein im Jahr 2023 hat jedes zehnte Unternehmen aufgegeben.
Laut Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, sei die Gastronomie einer der Hauptverlierer der Krisenabfolgen der vergangenen Jahre. „Den gestiegenen Kosten aufgrund der Inflation ist die Branche nahezu ausgeliefert“, sagt Hantzsch. „Gleichzeitig verjagen die notwendigen Preiserhöhungen die Kundschaft.“
Ob andere Gastronomien nun ebenfalls mit TikTok-Videos Kundschaft locken und der hohe Besucherstrom im „Niddafeld Schnitzelhaus“ sich halten oder nach dem Internet-Hype wieder abflachen wird, wird sich zeigen.