Die strafrechtliche Aufarbeitung dieser Vorgänge ist bis heute nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Sie entwickelt sich mit politischer Brisanz. Der jüngste Wendepunkt war ein neuer Vergleichsvorschlag zwischen der US-Regierung und Boeing Ende Mai 2025.
Durch diese Vereinbarung könnte Boeing einem öffentlichen Strafprozess entgehen. Im Rahmen des Vergleichs erklärte sich Boeing bereit, eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar zu leisten: 444,5 Millionen US-Dollar sollen in einen Entschädigungsfonds für die Hinterbliebenen der Opfer fließen. 243 Millionen US-Dollar gelten als Strafzahlung. Weitere 455 Millionen US-Dollar möchte Boeing in interne Programme zur Verbesserung der Sicherheitskultur investieren.
Bevor der Vergleich rechtskräftig werden kann, muss der zuständige Bundesrichter in Texas, Reed O’Connor, dem Vorschlag jedoch noch zustimmen – was nun keineswegs sicher ist.
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Bereits im Jahr 2021 hatte Boeing eine erste Vereinbarung mit dem US-Justizministerium getroffen. Bestandteil des damaligen Vergleichs war unter anderem die Zahlung von 500 Millionen Dollar an die Opferfamilien sowie die Einführung eines Ethikprogramms im Konzern. Allerdings enthielt dieses Abkommen auch eine entscheidende Bedingung: Boeing durfte innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht erneut durch sicherheitsrelevante Vorfälle auffallen.
Doch genau das geschah: Am 5. Januar 2024, nur zwei Tage vor Ablauf der Frist, kam es zu dem schwerwiegenden Vorfall, bei dem plötzlich ein metergroßes Loch in der Kabinenwand einer Boeing 737-9 klaffte (s. o.) – ein klares Zeichen für einen Produktionsfehler. Die US-Behörden kamen zu dem Schluss, dass Boeing gegen die Bedingungen des Vergleichs von 2021 verstoßen hatte, woraufhin das Justizministerium das Strafverfahren wieder aufnahm.
Im Juni 2024 bekannte sich Boeing schließlich schuldig, die US-Luftfahrtaufsichtsbehörde FAA in Bezug auf das MCAS-System bewusst getäuscht zu haben. Dies war ein bedeutendes Eingeständnis, da Boeing damit erstmals offiziell Verantwortung für die Manipulation der Zulassungsverfahren übernahm.
Richter Reed O’Connor stellte sich aber gegen das Abkommen und kündigte stattdessen einen Strafprozess an, der im Juni 2025 beginnen sollte.
Nach dem Vorfall mit Alaska Airlines beteuerte Boeing, große Anstrengungen unternommen zu haben, um die Produktionsqualität zu verbessern. Laut eigenen Angaben ist die Anzahl gemeldeter Mängel seither deutlich zurückgegangen. Der Absturz des Dreamliners in Indien stellt diese Aussage jedoch infrage.
Noch steht die Absturzursache nicht fest. Sollte aber ein technischer Defekt zu dem verheerenden Unglück geführt haben, steht der Konzern vor einem neuen Tief.