Beim Dreikönigstreffen fordert Christian Lindner die Landwirte auf, Verantwortung zu übernehmen. Zudem fand er klare Worte zur Wehrpflicht, dem Ukrainekrieg und der Schuldenbremse.

Dass die Stimmung beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen dieses Jahr eine etwas andere ist, das merkt FDP-Bundesparteichef Christian Lindner schon auf dem morgendlichen Weg zur Stuttgarter Oper. Überall im Schlossgarten haben sich Protestgruppen platziert, Tierschützer sind gekommen, linke Globalisierungskritiker, Kriegsgegner und wütende Landwirte mit ihren Traktoren. Lindner, der nach eigenen Worten Fieber hat, läuft lächelnd vorbei – und hält lediglich kurz für einen Autogrammjäger.

Den Protest wird der Parteichef auch im Opernsaal spüren. Aktivisten haben sich unter das Publikum gemischt und unterbrechen die Rede des Bundesfinanzministers. Sie fordern lautstark die Einführung des Klimagelds. Lindner reagiert mit Biss: Das sei das erste Mal, dass linke Autonome für das Wahlprogramm der FDP seien.

Die FDP im Umfragetief

Seit mehr als 140 Jahren starten die Liberalen am 6. Januar im Südwesten politisch in das neue Jahr. Die Partei steckt derzeit im Umfragetief, viele Anhänger sind unglücklich mit der Ampel. Vor kurzem votierten Mitglieder nur sehr knapp für den Verbleib der Partei in der Bundesregierung. Da kommt das Treffen in der Oper gerade recht, um etwas Selbstvertrauen zu tanken.

Zu Beginn seiner Rede macht Lindner direkt klar, dass die Zeiten nicht leicht seien. Er versucht, in der Oper Zuversicht zu verbreiten. Die Bundesregierung sei nicht fehlerfrei, aber entscheide mehr richtig als falsch. „Epochenumbrüche“ drückten die Stimmung im Land auf einen Tiefpunkt. Sie führten zu einer regelrechten „Lust am Untergang“.

Von Deindustrialisierung, Absturz und Niedergang sei die Rede, sagt er. „Ich bin offen: Ich kann es kaum mehr ertragen.“ Eine Gesellschaft, die nicht an die eigene Zukunft glaube, die verspiele ihre Zukunft, so der Parteichef. „Es gibt einen dritten Weg zwischen Gesundbeten und Schwarzmalerei – und das ist: sich den Realitäten stellen und etwas unternehmen.“

Landwirtschaft solle Verantwortung wahrnehmen

Demonstrationen der Landwirte: Lindner ruft die Bauern zu einem friedlichen Protest auf. „Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um“, sagt er. Sachbeschädigungen und die angekündigten Blockaden seien unverhältnismäßig. „Landfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung: Das sind Fälle für den Staatsanwalt.“

Die Gesellschaft habe eine Verantwortung für die Landwirtschaft, aber die Landwirtschaft habe umgekehrt auch eine Verantwortung für die Gesellschaft. Lindner verteidigte die Subventionskürzungen im Agrarbereich. „Gerade eine europäisch und national so hochsubventionierte Branche wird sich nicht jedes Konsolidierungsbeitrags erwehren können.“

Forderung nach mehr europäischer Hilfe für Ukraine

Der FDP-Chef fordert von den europäischen Partnern mehr Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland. Deutschland nehme seine Verantwortung wahr.

„50 Prozent der gesamten europäischen Unterstützung für die Ukraine werden von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aus Deutschland geleistet.“ Die Bedrohung durch Russland bestehe aber für Europa insgesamt. „Also müssen sich auch andere an der Lastenteilung beteiligen.“

Absage an Wehrpflicht

Lindner lehnt eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht strikt ab. „Im 21. Jahrhundert besteht Landes- und Bündnisverteidigung nicht mehr darin, wieder Kreiswehrersatzämter einzurichten“, sagte er. Sie bestehe vielmehr darin, „dass wir hoch qualifizierte Soldatinnen und Soldaten für eine Technologie-Armee finden“.

Er erklärte: „In dieser Lage, in der wir sind, über die allgemeine Wehrpflicht nachzudenken, trägt nicht zur Sicherheit bei. Wir schwächen uns.“ In Zeiten des Fachkräftemangels würde eine Generation davon abgehalten werden, einen qualifizierten Beruf zu erlernen und auszuüben, um einige Monate in der Bundeswehr „als angelernte Kraft“ tätig zu sein.

Der FDP-Chef kritisierte den CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der – „garniert mit einem Foto aus Rekrutentagen“ – für die Rückkehr zu einer Wehrpflicht von mindestens sieben Monaten plädiert hatte. „Das hat nichts mit Realpolitik zu tun, das ist Romantik.“

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