Die sogenannte Mocro-Mafia ist für besonders brutale Taten bekannt. Jetzt strecken die Gangster ihre Fühler immer gieriger nach Deutschland aus. Was kommt da über die Grenze?

Die Schüsse fielen unweit des pulsierenden Leidseplein in Amsterdam, einem Ort, an dem das Nachtleben tobt und den Touristen lieben. Fünf Kugeln feuerte der Täter ab. Zwei trafen Peter R. de Vries in den Kopf. Der prominente Kriminalreporter hatte keine Chance. Neun Tage später starb er im Krankenhaus.

Die Tat erschütterte die Niederlande und ganz Europa. Die Attentäter waren mit äußerster Skrupellosigkeit vorgegangen – und gleichzeitig mit großer Leichtfertigkeit. Ein anwesender Augenzeuge hielt sie nicht von ihrem mörderischen Vorhaben ab, überall hinterließen sie Fingerabdrücke und DNA-Spuren. Im Fluchtauto fand die Polizei neben der Tatwaffe – es handelte sich um eine umgebaute Signalpistole – eine Maschinenpistole und Handys mit verräterischen Nachrichten.

„Diesen Hund müsst ihr haben“, hatte der Auftraggeber geschrieben und dazu ein Foto von de Vries geschickt. „Ich finishe das“, textete der damals 21-jährige Delano G. zurück – ein junger Mann aus Rotterdam, der von einer Karriere als Rapper träumte, an der Fernsehsendung „So you think you can dance“ teilgenommen und ein eigenes Musiklabel gegründet hatte.

Delano G. war aber nicht nur ein musikalischer Träumer. Er wuchs auch in einem Milieu auf, in dem Auftragsmorde, Entführungen und Folter etwas ganz Alltägliches sind. Von dem Ermittler sagen, hier sei es leicht, für ein paar Tausend Euro einen Killer zu finden. Denn in den sozial prekären Vierteln der Niederlande gebe es genug junge Männer, für die es eine Karriereoption sei, jemanden für Geld zu töten.

Ein Cousin ersten Grades von Delano G. hatte es in diesem Umfeld weit nach oben geschafft. Auch wenn er wegen seiner Taten zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war, diente er dem 21-Jährigen offenbar als Vorbild: Er war zu einem Vertrauten von Ridouan Taghi geworden, einem der gefürchtetsten Oberhäupter der sogenannten Mocro-Mafia.

Die Niederländer waren nach dem Mord an Peter R. de Vries entsetzt. Denn die Schüsse auf das bekannte TV-Gesicht im Jahr 2021 führten allen deutlich vor Augen, wie akut auch die Zivilgesellschaft von der organisierten Kriminalität bedroht ist. Es kann Anwälte, Journalisten und vollkommen Unbeteiligte treffen. De Vries galt als Vertrauensperson eines Kronzeugen, der gegen Taghi aussagen sollte. Zuvor waren bereits ein Anwalt dieses Kronzeugen und sein Bruder ermordet worden, der überhaupt nichts mit dem Fall zu tun hatte.

Und jetzt streckt diese Mocro-Mafia ihre Fühler immer gieriger auch nach Deutschland aus. Fest steht: Mit ihr kommt die Gewalt. Seitdem im Sommer 2024 eine große Menge Drogen von einem Überfallkommando aus einer Lagerhalle in Hürth bei Köln geraubt wurde, erschüttern immer wieder Explosionen die Region. Die Polizei ordnet mehrere der Taten den Drogenbanden aus den Niederlanden zu. Und wie bei den niederländischen Nachbarn geraten manchmal Unschuldige zwischen die Fronten und werden verletzt. Die Angst ist real – aber es gibt auch einige Missverständnisse. t-online gibt den Überblick.

Der renommierte niederländische Kriminologe Cyrille Fijnaut sagt, über die sogenannte Mocro-Mafia kursierten viele falsche Vorstellungen. Sich darunter eine einzige, straff geführte Organisation vorzustellen, sei völlig wirklichkeitsfremd. Auch wenn sich die Polizei das wünschen würde, weil es vieles vereinfachte: „Es ist nicht so, dass die Drogenkriminalität in den Niederlanden in der Hand einiger großer Bosse ist“, erläuterte er der Nachrichtenagentur dpa. „In Italien gibt es das, aber bei uns ist die Sache komplizierter.“

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