Thomas Gottschalk schrieb vor Jahren, dass er früher seine Kinder mal geohrfeigt hat. Das hat nun erneut eine Debatte ausgelöst. Gewalt gegen Kinder sollte nicht verharmlost werden, warnt Martina Huxoll-von Ahn vom Kinderschutzbund.

Der Moderator Thomas Gottschalk wehrt sich gegen Vorwürfe, seine „Kinder misshandelt“ zu haben. Er habe seine Söhne „nie mit Ohrfeigen erzogen“. „Das war ein Reflex“, sagte der 74-Jährige am Montag bei einer Lesung in Hamburg. Er sei „gegen jede Form von Gewalt“.

Gottschalk ging damit auf Kritik ein, die in den vergangenen Tagen an ihm geübt worden war. Hintergrund waren Äußerungen in einem früheren Buch. Darin hatte er beschrieben, wie er seine beiden Söhne einmal geohrfeigt hatte. In den sozialen Medien waren diese Passagen nun anlässlich seines neuen Buches wieder aufgetaucht und lösten eine Debatte über Ohrfeigen als Erziehungsmethode aus. Mehr dazu lesen Sie hier.

Seit 2001 ist im Bürgerlichen Gesetzbuch das Recht von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung festgeschrieben. Warum ein vermeintlich „leichter Klaps“ in der Erziehung trotzdem noch weitverbreitet und wie dieser zu bewerten ist, darüber hat t-online mit Martina Huxoll-von Ahn gesprochen, der stellvertretenden Geschäftsführerin des Kinderschutzbunds.

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t-online: Frau Huxoll-von Ahn, ist ein Kindesmisshandler, wem einmal die Hand ausgerutscht ist und sein Kind geohrfeigt hat?

Martina Huxoll-von Ahn: Natürlich nicht. Körperliche Gewalt sollte eigentlich nie passieren – eine einmalige Ohrfeige kann in Stresssituationen aber leider vorkommen. Wichtig ist aber, dass dies nicht relativiert wird, sondern dass Eltern dann ihr Fehlverhalten reflektieren, damit es nicht wieder vorkommt. Außerdem sollten sich die Eltern bei ihrem Kind entschuldigen.

Wie schwerwiegend ist die einmal ausgerutschte Hand für ein Kind? Reicht eine Ohrfeige aus, um bei Kindern ein nachhaltiges Trauma auszulösen?

Körperliche Gewalt wie ein Klaps oder die eine Ohrfeige sind nie in Ordnung, auch wenn sie sicherlich nicht unmittelbar ein Trauma auslöst. Wiederholt sich Gewalt, sieht das ganz anders aus. Hier kommt es immer auf das individuelle Kind an, wie solche Erfahrungen verarbeitet werden.

Was macht es mit einem Kind, wenn es von seinen Eltern häufiger geohrfeigt wird oder andere Gewalt erfährt?

Es demütigt das Kind und gibt ihm das Gefühl, der Macht von Erwachsenen ausgeliefert zu sein. Oft bleibt das Gefühl, minderwertig zu sein. Kinder, die regelmäßig Gewalt erfahren, können schlechter Selbstvertrauen entwickeln und haben auch weniger Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es hängt aber immer auch vom Einzelfall ab: von der körperlichen Verfassung, dem Charakter, aber auch dem Umfeld des Kindes. Generell bleibt jedoch die Erkenntnis, dass das Recht des Stärkeren gilt. Gewalt ist pädagogisch gesehen zudem Unsinn. Es zeigt Kindern nicht, wie man sich richtig verhalten soll. Im schlimmsten Fall wird Gewalt als Konfliktlösungsstrategie übernommen.

Und wie wirkt sich das auf die Beziehung zu den Eltern aus?

Kinder erwarten Schutz von ihren Eltern – durch eine Ohrfeige wird diese Bindung gebrochen. Es bleiben oft nicht die Schläge in Erinnerung, sondern die Demütigung.

Ein Erwachsener schlägt ein Kind (Archivbild): Eine gewaltfreie Erziehung ist seit fast 25 Jahren im Gesetz verankert. (Quelle: Ute Grabowsky/photothek.net via www.imago-images.de/imago-images-bilder)

Was hilft Kindern beim Umgang mit Gewalt?

Das Umfeld ist wichtig. In einer ansonsten wertschätzenden und liebevollen Familie kann das Kind einen Klaps besser verarbeiten. Auch die Personen in seinem weiteren Umfeld sind wichtig. Das kann die Lehrerin oder die Erzieherin in der Kita sein, aber auch die Oma. Wenn sie dem Kind auf eine unterstützende, liebevolle Weise begegnen, gibt das dem Kind eher wieder die Sicherheit zurück, die es braucht. Sie, aber auch Lehrer, sollten für Kinder als Ansprechpartner offen sein und signalisieren: „Du kannst jederzeit zu mir kommen – und zwar mit allem, was dich bewegt.“

Ist seit der Einführung des Rechts auf eine gewaltfreie Erziehung 2001 ein gesellschaftlicher Wandel zu beobachten?

Auf jeden Fall. Die Großelterngeneration ist damit noch ganz anders umgegangen als die heutige Gesellschaft. Früher waren Ohrfeigen akzeptiert. Früher dachten die Leute, dass sie ein Kind ohne Schläge nicht groß bekommen.

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